Mittwoch bis Samstag: 18.30 - 00.00 Uhr
Holly Gastrobar
Mainzer Straße 23
12053 Berlin-Neukölln
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Immer mal wieder gibt es diese Restaurants, bei denen man sich ein wenig fühlt, wie bei guten Freunden, die ein gutes Händchen für tolles Essen, Hammerweine und einfach einen gelungenen Abend haben. Dieses vielbeschworene Komplettpaket haben wir in der Holly Gastrobar in Neukölln gefunden. Komplettpaket aber, das klingt viel zu unemotional, zu geplant und organisiert für diesen tollen Ort.
Nicht, dass uns irgendetwas unorganisiertes aufgefallen wäre. Und doch berichtet uns Inhaberin und Gastgeberin Fernanda davon, dass sie vieles einfach auf sich zukommen lassen, das Leben ließe sich eben nur schwer planen. So kommt kurz nachdem sie und ihr Partner Simon im Sommer 2021 eröffnen, Familienzuwachs ins Team Holly. Derzeit bekämen sie das gut hin, häufig sei der gemeinsame Sohn einfach mit im Restaurant, während seine Eltern den Abendservice vorbereiten.
Ein echtes Familienrestaurant also. Fernanda ist gute Seele im Service und Mama, Partner Simon ist Küchenchef und kreiert gemeinsam mit seinem Team herrliche Speisen aus lokalen Produkten. 95 % der Produkte stammen aus dem Umland. Selbst Franzose, merkt man Simons Tellern nicht nur das klassische französische Handwerk an, sondern durchaus auch, dass er gut in der Welt herumgekommem ist und mit den Produkten, die Berlin und Umgebung zu bieten haben, ohne Frage Einiges köstliches anzustellen weiß.
Da wäre etwa die fancy Holly-Version vom Schweinemett: Tartar vom Duroc Schwein mit fermentiertem Apfel und Fougasse Chips. Oder aber der feine gebackene Spitzkohl mit Hefesauce und Bärlauchöl, so viel erdig-wohlige Tiefe bei gleichzeitiger Frische holt uns sehr ab. Ebenso wie die Darreichungsform des Spitzkohls, der uns ein wenig an eine Artischocke erinnert. Wir schlemmen begeistert unsere Teller leer.
Das hausgebackenen Brot mit köstlicher Miso-Butter überzeugt auf ganzer Linie, ebenso wie der frisch-aromatische Crottin de Chavignol, kredenzt mit einem fein-süßlichen Rote-Bete-Chutney. Frische und Cleanliness stellen das Produkt in den Fokus. Auch das Interieur nimmt sich entschieden und geschmackvoll zurück: Geradlinige Tische geben Essen und Weinen den Vortritt, an einer Wand sind die hervorragenden Weine ausgestellt. Hier liegt der Fokus auf Bio- und Naturweinen.
Die jungen Winzer die ihr eigenes Ding durchziehen, begeistern mit Skin-Contact Orange Wines wie etwa dem Lockvogel aus dem Burgenland, frischen Rotweinen wie den Ponzichter, ebenso von dort. Wenngleich es auch deutsche, französische und italienische Positionen auf die ausgewählte Karte schaffen. Wir genießen bei unserem Besuch bei bestem Berliner Sommerwetter Bubbles: den köstliche „hope every day“ Per-Nat aus dem Hause des renommierten Ex-Noma-Sommeliers Anders Frederik Steen. Der Name spricht für sich, den wünschte man sich wahrlich jeden Tag!
Highlight des Abends jedoch ist wider erwarten ein Gericht, das die Zucchini in den Mittelpunkt rückt. Zucchini ja... Dieses insbesondere zur Hochsaison riesige Kürbisgewächs, das Kleingärtner*innen gern in Massen loswerden möchten, von der man derzeit schnell genug bekommt... Nicht so im Holly: Wir lieben die ästhetische Darreichung, die uns ans japanische Washoku erinnert. Die laktofermentierte und marinierte Zucchini mit Zwiebel-Garum-Vinaigrette, frischem Laben und fantastischen, erfrischenden Gurkensorbet verschlägt uns kurz die Sprache – es stimmt alles daran. Der Sommer perfekt eingefangen in einem Gericht.
Fein auch die Hauptgänge, in denen Karotte und Sellerie in diversen Ausführungen im Mittelpunkt stehen. Das in der Cocotte angeräucherte Rinderfilet dazu schmeckt zwar fein, wir hätten es aber angesichts der sehr stimmigen Gemüsearrangements jedoch nicht vermisst.
Für leuchtende Augen sorgt wiederum unser Dessert: Eine alte bekannte aus der Kindheit begegnet und dort: Waldmeister Zuckerwatte ist wie zu erwarten war sehr süß, komplementiert aber auf wunderbare Weise die eingelegte Brombeere. Ein Dessert, das sich in unseren ersten Eindruck der Holly Gastrobar fügt. Noch etwas gehört nämlich zum Komplettpaket hinzu: Ein klein wenig Unvorhergesehnes. Uneingeschränkte Empfehlung.