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Hamburger Lieblingsorte von Journalist und Autor Stevan Paul

Dienstag, 01. Mai 2018

Die Orte im Überblick

Karte (10)

Wenn ich es nicht besser wüsste, wäre ich mir sicher, dass Stevan Paul Franzose ist, so nonchalant tritt er an meinen Tisch im Café Paris heran, als wir uns zum Interview treffen. Glücklich sieht er aus. Wie jemand, der das Leben in vollen Zügen genießt. Ein Eindruck, der sich im Laufe unseres Gesprächs bestätigen sollte. – Super denke ich noch: volle Kanne Genuss! Und da geht die Reise auch schon los.

Vom Bodensee aus, wo Paul in Ravensburg aufgewachsen ist und ihm der Mathe-Unterreicht die gesamte Schulzeit verhagelte. "Ich war ständig versetzungsgefährdet. Ich hasste die Schule!", so der erfolgreiche Journalist und Kochbuchautor. Irgendwann hatte ihn sein Vater gefragt, was ihn außer Rauchen und Mädchen denn noch interessiere. "Kochen", hatte seine unumwundene Antwortet gelautet, denn so lange er denken konnte, hatte er leidenschaftlich gern bei seiner Mutter und den beiden Großmüttern in der Küche gestanden.

Er brach die Schule ab. Albert Bouley, der renommierte Küchenchef vom Ravensburger Restaurant Waldhorn, nahm ihn unter seine Fittiche. "Ein wahnsinnig spannender Mann war das, der sich mit Vorliebe um schwierige Jungs, wie mich, kümmerte", schwärmt Paul in den höchsten Tönen.

Er sei ein echter "Agrobollen" gewesen und Bouley habe ihm ein ganz neues Universum eröffnet. "Sein Motto lautete Fordern und Fördern. Bei ihm habe ich Disziplin, Umgang, Ehrgeiz, Perfektion und Dranbleiben gelernt", so Paul. Bouley sei ein echter Gentleman und Schöngeist gewesen. Bis heute ziehe er sich durch all seine Bücher. Eines davon, "Der große Glander" habe er dem Küchenmeister daher auch gewidmet.

Nach der Ausbildung leistete Stevan Paul seinen Zivildienst in einem Zentrum für Körperbehinderte in Schwaben. "Eine wichtige Erfahrung" meint er heute. Damals habe er nach Schule und Ausbildung aber auch endlich mal Zeit zum Feiern gehabt.

Gut so, denn während seiner ersten "Wanderjahre" als Koch musste er bald feststellen, dass das mit dem Kochen gar nicht so schön war, wie er bis dato kennen gelernt hatte: "Da flogen regelmäßig die Pfannen und Fäuste", blickt er noch immer etwas erschüttert zurück. Seine letzte Station war dann der Bamberger Reiter in Berlin.

Nach einer allerletzten schlagkräftigen Auseinandersetzung, kehrte er der Gastronomie entgültig den Rücken und ging für ein Praktikum zur Zeitschrift Essen & Trinken nach Hamburg. "Heilige Hallen" seien das damals für ihn gewesen. Schon seine Mutter habe die Zeitschrift schließlich gelesen.

Als eine Stelle für einen Versuchskoch mit Redaktionsvertrag ausgeschrieben wurde, bewarb er sich unsicher. Die Empfehlung eines Kollegen zur Gehaltsvorstellung, brachte er vor der damaligen Chefredakteurin Angelika Jahr nicht über die Lippen, erinnert er sich: "Es kam mir im Vergleich zu meinen bisherigen Gehältern als Koch so unverschämt viel vor."

Was Angelika Jahr ihm dann jedoch ihrerseits anbot, lag so weit außerhalb seiner Vorstellungskraft, dass ihm der Gesichtsausdruck entglitt. Als die ihn, seine Reaktion falsch deutend, darauf hinwies, dass dies ja nur das Anfangsgehalt sei, konnte er sein Glück gar nicht mehr fassen. 

Während er von nun an Rezepte für die Hefte aus der Verlagsgruppe entwickelte, wurde Angelika Jahr zur wegweisende Persönlichkeit für ihn. Damals habe er sein ganzes Leben umgekrempelt: "Ich habe angefangen Marathon zu laufen und sehr viel abgenommen. Eine Zeitlang bin ich sogar Meditieren gegangen."

Über Presse-Einladungen lernte er die Welt kennen. Nur Schreiben durfte er noch immer nicht. "Da gingen die Journalisten auf die Barrikaden!" erinnert er sich. Die Sommelier Renate Frank habe ihn mal einen Briefmarkengroßen Artikel schreiben lassen: "Da brach die Hölle los." – Nach fünf Jahren konstatierte er, dass er so nicht weiterkam.

Er machte sich als Foodstylist selbständig und arbeitete für Zeitschriften und die Werbung. Nebenbei begann er mit Poetry Slam und trug seine Texte nächtelang im Hamburger Club Molotow vor. Mit lähmendem Lampenfieber, bis er sich, seinem damaligen Vorbild Stuckrad-Barre folgend, einen Cordanzug zulegte: "Der war wie eine Rüstung und mein Lampenfieber fortan wie weggeblasen."

Der Mairisch Verlag kam auf ihn zu und veröffentlichte ein erstes Buch mit seinen kulinarischen Kurzgeschichten. "Monsieur der Hummer & ich" lautete der Titel, der später auch bei Rowohlt erschien. Nun meldeten sich endlich auch die Zeitungsverlage. Vor drei Jahren hängte er das werbliche Foodstyling an den Nagel: "Das erschien mir auch politisch nicht mehr korrekt."

Heute arbeitet Stevan Paul regelmäßig für Magazine wie Effilee, Der Feinschmecker, Mixologie oder Falstaff und ist als Restauranttester für die Süddeutsche Zeitung unterwegs. Zwanzig Jahre hat es gedauert, bis er in seinem Traumberuf angekommen ist. Nun kann er sein Glück oft kaum fassen.

In diesem Jahr wird sein „Schnelle Teller“ Kochbuch, das einst sein Entrée in den Kochbuchmarkt war, mit allen Rezepten der vergangenen zehn Jahre, für die Effilee neu aufgelegt. Erfolgreiche Kochbücher hat Stevan Paul nämlich auch jede Menge verfasst.

Gerade arbeitet er an dem neusten Titel "Blaue Stunde", einem Kochbuch mit Rezepten, die den Abend feiern. Eine kulinarische Reise um die ganze Welt, von Samoa aus immer der Blauen Stunde nach. Dazu wird es sogar eine passende Playlist geben, erzählt er selbst voller Vorfreude.

Und hier in Hamburg? Wo gehen Sie da am liebsten hin, Herr Paul?

Tipp. Zu den Details der einzelnen Orte gelangen Sie über das Anklicken der orange markierten Namen!

Café de Paris. Seit seiner Ankunft in Hamburg gehe er in der hanseatischen Institution ein und aus. Später möchte er hier mal ein Schildchen am Tisch haben, so wie Otto Sander in der Berliner Paris Bar. "Wenn ich in Rente bin, ziehe ich hier ein!" lacht er. Dann gibt’s jeden Tag ein schönes Frühstück. Danach der Run auf den Mittagstisch, später die trubelige Zeit zum Kaffee. Am Abend werde es mit der "großen Karte" besonders spannend: "Die Soßen sind spitze!" schwärmt Paul. Auch der Service der alten Schule gefalle ihm sehr.

Trific. In dem Restaurant über zwei Ebenen kocht sein Freund Oliver Trifik, mit dem er sich schon bei der Zeitschrift Essen&Trinken ein Büro geteilt hat. Das Interieur hat dessen Frau Tanja Trific gestaltet. Gekocht wird "unprätentiös tolles Essen" oder deutsch-französische Alpenküche, wie Steven Paul es nennt. Die Weine seien freundlich kalkuliert und unten habe man einen wunderbaren Blick auf die Fleet.

Dionysos. "Ein sensationeller Grieche" schwärmt Paul: ausgewählte griechische Weine von höchster Qualität gebe es hier und die hervorragenden Tapas zum Teilen passten großartig dazu. Gastgeber sei der wunderbare Michalis Josing und seit vielen Jahren koche hier schon Gilmas "Alberto" Vechmpi. "Hier geht es immer fröhlich zu. Vor allem im Sommer, wenn man draußen sitzen kann. – Ein echtes Nachbarschaftslokal!" schwärmt er.

Heimatjuwel. Der hier aufkochende Marcel Görke war zuvor unter anderem. am Süllberg Küchenchef. "Oberste Schublade also", so Paul. In seinem eigenen Restaurant serviere er nun eine leichte nordische Küche und schaffe damit den seltenen Spagat zwischen fein und bodenständig. "So kann deutsche Küche schmecken", schwärmt Stevan Paul. "Ganz toll!"

Akari. Ein sensationeller Laden sei dieser Japaner in Uhlenhorst. Er biete einen echten Querschnitt der japanischen Küche oder besser: eine authentische Familienküche. Auch die Einrichtung könne man so in Japan finden: hell, licht und dabei nicht so "überkandidelt". Ab 21.30 Uhr wird allerdings gedrängelt, damit pünktlich um 22 Uhr geschlossen werden kann, lacht Paul.

Koch Kontor. Hamburgs einzige Kochbuchhandlung biete auch einen Mittagstisch, bei dem wochentags in der offenen Küche nach wechselnden Rezepten aus den angebotenen Kochbüchern gekocht wird. Was es gibt, könne man vorab auf Facebook erfahren. Die Buchhandlung sei ein kulinarischer Mittelpunkt für alle, die sich in Hamburg fürs Kochen interessieren. Alle stellten dort ihre Kochbücher vor. Er natürlich auch. Dazu gebe es dann auch immer was Leckeres zu essen.

Haco. Das Restaurant habe gerade erst in der Süddeutschen eine Traumkritik von ihm bekommen. Spannende norddeutsche Küche auf höchstem Niveau werde hier serviert. In einem lässigen Ambiente mit ebenso lässigen Gästen. Mitinhaber und Chefkoch Björn Juhnke koche sich auf höchstem Niveau von Island über Skandinavien bis ins Baltikum. Zu den feinen Speisen bekomme man hier statt Wein auch gerne mal ein frisch gezapftes Bier serviert.

Cohen + Dobernigg. Die mehrfach ausgezeichnete Buchhandlung ist für Stevan Paul eine der schönsten Buchhandlungen überhaupt. Besonders toll finde er das große Rondell, auf dem, wie bei einem gedeckten Tisch alle Bücher mit dem Cover nach oben präsentiert werden. "Das macht richtig Lust, die Bücher in die Hand zu nehmen." Alle Titel sind handverlesen und liebevoll zusammengestellt. Ein Achtel des Tisches widme sich allein dem Thema Musik, erzählt er begeistert.

Angelos. Der Herrenausstatter am Eppendorfer Weg sei der einzige Laden, in dem er gerne Kleidung einkaufe. Ein Thema, das er ansonsten sehr lästig finde. Zweimal im Jahr falle er hier ein und mache einen Rundumschlag. "Die haben genau die Sachen, die ich liebe!" erzählt er selig. "Und keiner nervt." Alles, was ihm die Mitarbeiter raussuchen, passe sofort und es gebe keine anstrengenden Verkaufsgespräche. Im Übrigen bekomme er hier seine heißgeliebten Zeha-Schuhe aus Berlin.

Bootshaus Hafencity. Das Restaurant mit Bar in der Hafencity ist seine jüngste Neuentdeckung. Eigentlich wäre er gar kein Grillgänger, aber dieses Konzept habe ihn wirklich begeistert. Das Fleisch sei fantastisch. Die Beilagen ebenfalls. "Mac and Cheese werden hier mit Bier zubereitet!" schwärmt er. Auch die Bar sei richtig gut. Barmann Sascha Thieben sei ein Mann der alten Schule. Auf Zuruf und je nach Stimmung des Gastes mixe er immer genau den richtigen Drink. Überhaupt sei das ganze Team super freundlich. "Eine tolle Entdeckung!" Auch die Weine seien fantastisch.

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