EnglishThis content is
not available in
english
Menü

Why Boys don't cry Über toxische Männlichkeit

Mittwoch, 26. Mai 2021

Normalerweise lesen Sie an dieser Stelle versöhnliche bis trivial anmutende Zeilen über die Banalitäten des Alltags. Menschen, die mich kennen, wissen, ich habe ein Faible für kultursoziologische Themen, warum essen Menschen so gern in Gesellschaft, warum tut uns Spazierengehen so gut, warum mögen die einen putzen und die anderen nicht… Ich finde es spannend, solche Dinge zu ergründen und lasse Sie in dieser Kolumne an meinen Gedanken teilhaben.

Dieses Mal wird es anders. Denn dieses Thema nervt mich. Nein, es bereitet mir Kopfschmerzen und vielen anderen ebenfalls. Keine Versöhnung, denn es um die Wurzel der Unterdrückung und den Motor des Patriarchats: toxische Männlichkeit.

Boys don’t cry. 

Wenngleich wir schon mitten im Text sind, lassen Sie mich noch einmal ansetzen: Mein kleiner Bruder hat früher Ballett getanzt. Er war nicht unbedingt talentiert, aber er liebte es. Nun haben wir bei Ballett auf Anhieb Bilder im Kopf: die Prima-Ballerina natürlich, in einem pinken Tütü womöglich, wie sie sich grazil über eine Bühne bewegt. Oder kleine Mädchen, im pinken Tütü womöglich, wie sie sich weniger grazil aber bezaubernd niedlich über die Bühne bewegen.

Dabei vergisst man gern, dass Ballett ein harter Sport ist – gern im Spitzenkleid klar, aber körperlich herausfordernd. Hart, Ein „typisch männlicher“ Sport ist es mitnichten. Mein kleiner Bruder tanzt mittlerweile kein Ballett mehr. Das ist natürlich völlig in Ordnung. Wenn es ihm nicht gefällt, dann muss er das nicht tun. Aber das Problem ist nicht, dass es ihm nicht mehr gefällt. Er tanzt kein Ballett mehr, weil Ballett "ein Mädchen-Sport" ist. Jetzt spielt er Fußball. Von wegen „als Kind schon auf Mann geeicht“.

Boys will be Boys.

Während Frauen und Mädchen längst alles tun, sein und lassen können, was sie wollen (Hey, wie Barbie!) finden wir es „schon ein bisschen komisch“, wenn ein Mann Nagellack trägt, oder gar ein Kleid!  (wie etwa Rapper Kid Cudi bei einem Auftritt). Männer müssen stark sein. Sie müssen Mathe beherrschen und vor allem entscheiden sie immer rational. Ein Mann bringt das Brot nach Hause und natürlich ist ein Mann immer bereit, um Sex zu haben. Heterosexuellen Sex natürlich! Und niemals – NIEMALS! – weint ein echter Mann (es sei denn, sein Verein steigt ab, denn natürlich mag er Fußball!). Klingt schon alles ganz schön nach 1950.

Aber das ist das Problem an starren und stereotypischen Rollenbildern und Denkweisen: Sie sind verinnerlicht. Oft kann man sie erst überwinden, wenn man sich ihnen bewusst wird und sie reflektieren kann. Bis dahin sind ganze Generationen von Kindern bereits davon geprägt.

Männer kriegen 'nen Herzinfarkt.

Toxische Männlichkeit verstärkt sozusagen die binäre Geschlechter-Vorstellung und gipfelt darin, als „nicht-männlich“ geltende Verhaltens-, Lebens- und Erscheinungsweisen abzuwerten. Dieser Effekt und seine Auswirkungen sind statistisch nachweisbar. Die Vorstellung von diesem Männlichkeitsbild unterliegenden Mechanismen führt dazu, dass Männer statistisch häufiger mehr Alkohol konsumieren, mehr Gewalt erfahren und ausüben und allgemein höheres Risikoverhalten für Körper und Pysche an den Tag legen, als Frauen. Gleichzeitig kümmern sie sich weniger um ihr leibliches und psychisches Wohlergehen, begehen fast dreimal häufiger Suizid. 

Doch nicht nur für Männer kann toxische Männlichkeit tödlich enden. Jene, die "den Mann" umgeben, also Frauen oder Menschen, die nicht in jenes Männlichkeitsbild passen, werden ab- und entwertet. Mangelnde Kommunikation und Schweigen über die eigene Gefühlswelt ist hier das kleinste Problem. Im schlimmsten Fall führt das nämlich zu (sexualisierter) Gewalt bis hin zu Femiziden. 

Toxische Männlichkeit ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das man angehen muss. Eine gerechte Gesellschaft bedeutet nämlich nicht nur, dass mehr Frauen in Chefetagen sind, mehr Menschen mit Migrationserfahrungen im Bundestag sitzen und unsere Städte inklusive werden, sondern eben auch, dass Männer „weich, schwach und verletzlich“ sein dürfen. Es geht um nichts weniger, als dass "der Mann" seine eigene Identität abseits von Rollenklischees findet. Und so letztendlich ein gesünderes, stressfreieres und sozialeres Leben führen kann. Und wenn er im rosa Tütü Raketen bauen möchte, dann soll er doch. Männlichkeit kann so vielfältig sein. Aber vor allem: Mann, wein‘ doch mal!

So genug ausgekotzt. Natürlich sind diese Zeilen absolut nicht ausreichend, um dieses Thema vollumfänglich zu besprechen, zumal es stark mit anderen gesellschaftlichen Themen und Problemen verwoben ist. Ein lesenswertes Buch zu diesem Thema ist etwa: Sei kein Mann: Warum Männlichkeit ein Albtraum für Jungs ist von JJ Bola.

Weitere interessante Artikel
Creme Guides
Karte
Reset Map