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Patchwork Zwischen Wiedersehen und Loslassen

Montag, 27. Oktober 2025

Über die Autorin

Zoë Schlär ist seit fast 20 Jahren Mediatorin und versteht sich als Übersetzerin in Konfliktsituationen – sowohl im Beruflichen als auch im Privaten. Zudem ist sie Ausbilderin für Mediation, Trainerin und Systemischer Businesscoach. Für Creme Guides schreibt sie über festgefahrene Situationen, neue Begegnungsräume und das gegenseitige Verstehen, um nachhaltige Veränderung zu erreichen.

Die Sonne steht schon tiefer, das Licht hat diesen goldenen Schimmer, der den Herbst ankündigt. Auf der Terrasse eines kleinen Ferienhauses sitzen vier Erwachsene um einen langen Holztisch. Gläser klirren, irgendwo bellt ein Hund und zwischen Wein, Wolldecken und Kastanien sammeln sich Geschichten. Es sind Herbstferien und doch sind die Kinder nicht dabei. Alle hier am Tisch sind Eltern, alle leben getrennt, alle haben Kinder, die gerade  bei den anderen Elternteilen sind.

„Bei uns ist das ganz gerecht geregelt“, sagt Isabel und rückt ihr Glas zurecht. „Die beiden wechseln jede Woche – Montag zu mir, Montag wieder zum Vater. Sie haben in beiden Wohnungen ihr Zimmer, ihre Sachen, ihre Routinen. Für sie fühlt es sich fair an. Für mich…“, sie lächelt schmal, „…manchmal wie ein Pendel, das nie ganz zur Ruhe kommt.“

Sie erzählt von der Leere montagsmorgens, wenn die Türen leise ins Schloss fallen. Und von der Freude, wenn dieselben Türen am nächsten Montag wieder aufgehen.

Marcel nickt. „Ich seh' meinen Sohn nur alle vierzehn Tage. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, denn er braucht viel Stabilität, und ich bin viel unterwegs. Das ist für ihn gut.“ Er zögert, dann fügt er leiser hinzu: „Aber für mich nicht immer.“

Er beschreibt, wie er am Sonntagabend manchmal noch das Kissen aufschüttelt, auf dem sein Sohn gesessen hat, nur um das Wochenende noch ein bisschen zu verlängern.

Claudia hat ein anderes Modell gefunden. „Bei uns bleiben die Kinder einfach im Haus wohnen“, sagt sie. „Markus und ich wechseln. Er hat ein Zimmer um die Ecke, ich bin bei meinem neuen Partner, wenn ich kinderfrei habe.“ Das sogenannte Nestmodell, das den Kindern ihr Zuhause lässt. „Es funktioniert, weil wir miteinander reden. Weil wir uns gegenseitig Raum geben. Und, ehrlich gesagt, weil wir es uns leisten können.“

Man spürt, dass diese Offenheit nicht selbstverständlich ist, sondern gewachsen.

Simone lacht, als sie an der Reihe ist. Ich lebe noch mit Markus zusammen. Also – irgendwie.“ Sie erzählt von ihrer Eltern-WG, von getrennten Schlafzimmern, aber gemeinsamem Alltag, von umgebauten Räumen, Rückzugszonen, Kompromissen. „Das war anfangs chaotisch“, sagt Simone. „Aber wir haben uns Unterstützung geholt und gelernt, dass Familie mehr mit Haltung als mit Status zu tun hat.“

Es wird still am Tisch. Man spürt, dass alle Modelle ihre Schönheit und ihre Brüche haben. Dass jede Familie ein eigenes Gleichgewicht sucht - zwischen Nähe und Freiheit, Stabilität und Bewegung, Wiedersehen und Loslassen.

Was bleibt, ist die Erkenntnis: Es gibt keine perfekte Lösung. Keine, die für alle passt. Jede Familie muss ihren Rhythmus finden und ihn immer wieder neu justieren, wenn das Leben sich verändert, die Kinder älter werden oder neue Menschen hinzukommen oder gehen.

Der Abend senkt sich über die Terrasse, das Licht wird weicher, und in der Runde klingt es nach: Familie – das ist längst kein festes Modell mehr. Es ist ein lebendiges Arrangement, das nur dort funktioniert, wo Menschen bereit sind, einander zuzuhören.

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