Zoë Schlär ist seit fast 20 Jahren Mediatorin und versteht sich als Übersetzerin in Konfliktsituationen – sowohl im Beruflichen als auch im Privaten. Zudem ist sie Ausbilderin für Mediation, Trainerin und Systemischer Businesscoach. Für Creme Guides schreibt sie über festgefahrene Situationen, neue Begegnungsräume und das gegenseitige Verstehen, um nachhaltige Veränderung zu erreichen.
Wir leben in herausfordernden Zeiten. Die Multikrise – bestehend aus globalen Unsicherheiten, politischen Spannungen und gesellschaftlichen Umbrüchen – geht vielen Menschen nahe. Dazu kommen zwischenmenschliche Konflikte in Familie und Beruf, die den Einzelnen zusätzlich belasten. Kein Wunder, dass viele das Gefühl haben, am Limit zu sein. Stress, Überforderung und das Gefühl der Hilflosigkeit greifen um sich. Doch wie können wir uns aus diesem Strudel befreien?
Psychologisch betrachtet, hat das Negative immer mehr Gewicht als das Positive. Es ist eine Schutzfunktion unseres Gehirns, Bedrohungen stärker wahrzunehmen als Chancen. Hinzu kommt: Wir neigen dazu, andere Menschen negativer einzuschätzen, als es der objektiven Realität entspricht. Dies führt zu grundsätzlichen Fehlannahmen und zu Missverständnissen und Konflikten, die oft unnötig eskalieren.
Ein bewusster Perspektivwechsel kann hier Wunder wirken. Wenn wir uns darin üben, anderen mit einer wohlwollenden Grundhaltung zu begegnen, können wir die Dynamik zwischenmenschlicher Beziehungen verändern. Statt uns in negativen Gedankenschleifen zu verfangen, lohnt es sich, bewusst nach positiven Aspekten im Gegenüber zu suchen.
Gerade vor schwierigen Gesprächen hilft es, sich selbst gut vorzubereiten. Wer erschöpft, hungrig oder gestresst in ein wichtiges Gespräch geht, wird es schwer haben, konstruktiv zu bleiben. Daher: Gut für sich sorgen! Gesunde Ernährung, Bewegung, ausreichend Schlaf – all das stärkt unser Nervensystem und unsere emotionale Stabilität. Ebenso wichtig ist es, zu wissen, was uns gut tut: Ist es ein inspirierendes Buch oder ein entspannender Film? Begegnungen mit nahestehenden Menschen oder eine bewusste Phase der Ruhe? Auf jeden Fall keine aufwühlenden Nachrichten oder belastenden Diskussionen kurz vorher.
Ein weiterer Schritt ist es, den anderen bewusst in einem positiven Licht zu betrachten. Wann hat der Partner etwas Schönes getan? In welcher Situation hat die Kollegin unterstützt? Wo hat die Schwiegermutter Rücksicht genommen? Indem wir gezielt nach positiven Erlebnissen suchen, schaffen wir eine andere innere Haltung – eine, die in Gesprächen für Entspannung sorgt.
Auch wenn die Weltlage herausfordernd ist: Wir können etwas verändern. Die Zukunft ist nicht festgeschrieben, sondern liegt in unseren Händen. Aktiv zu werden, sich zu engagieren, kleine Schritte zu gehen – all das gibt uns das Gefühl von Selbstwirksamkeit.
Ein wesentlicher Punkt: Wir sollten klar unterscheiden, welche Themen wir beeinflussen können und welche nicht. Globale Krisen mögen bedrückend sein, aber wir können sie nicht alleine lösen. Zwischenmenschliche Konflikte hingegen sind direkt beeinflussbar. Hier können wir Verantwortung übernehmen, neue Wege gehen und Veränderung anstoßen. Es lohnt sich, den Fokus neu zu justieren. Raus aus der Dauerkrise – hin zu einem bewussteren, positiveren Umgang mit uns selbst und anderen.