Zoë Schlär ist seit fast 20 Jahren Mediatorin und versteht sich als Übersetzerin in Konfliktsituationen – sowohl im Beruflichen als auch im Privaten. Zudem ist sie Ausbilderin für Mediation, Trainerin und Systemischer Businesscoach. Für Creme Guides schreibt sie über festgefahrene Situationen, neue Begegnungsräume und das gegenseitige Verstehen, um nachhaltige Veränderung zu erreichen.
Manchmal arbeiten Menschen über Jahre Tür an Tür – und dennoch entsteht zwischen ihnen eine Distanz, die sich nicht mit Worten überbrücken lässt. Im Fall von Simone und Andrea ist es genau so. Beide arbeiten im selben Team. Die Aufgaben sind klar verteilt, die Ergebnisse stimmen. Und doch ist da etwas. Ein Grundton aus Missverständnissen, aus Unbehagen und Rückzug. Für Außenstehende ist es schwer greifbar. Für die Beteiligten belastend.
Die Führungskraft nimmt das wahr – und macht einen Vorschlag: eine Mediation. Ein moderiertes Gespräch, um Dinge auszusprechen, die sonst keinen Platz finden. Simone ist offen dafür. Andrea nicht. Ein Nein, das nichts eskalieren lässt, aber auch nichts weiterbringt.
Simone bleibt zurück mit ihrer Bereitschaft – und mit vielen Fragen. Sie will Verständigung, aber sie bekommt Schweigen. Sie will Bewegung, doch es bleibt, wie es ist. Und das wirkt: im Arbeitsalltag, im Umgang, in ihrer Haltung.
Die Führungskraft denkt weiter – und bietet Simone ein Konfliktcoaching an. Kein Ersatz für das Gespräch zu zweit. Sondern ein Raum nur für sie. Zum Sortieren. Zum Klären. Zum Atmen.
Im Coaching tritt Simone innerlich einen Schritt zurück. Nicht von Andrea, sondern von sich selbst in dieser Situation. Sie schaut neu auf das, was war – und auf das, was sie daraus gemacht hat. Mit Hilfe von Bodenankern nimmt sie verschiedene Perspektiven im Raum ein: die von Andrea, von der Führungskraft, von anderen Mitarbeitenden. Wie könnte es aus deren Sicht wirken? Wie würden sie das Geschehen beschreiben?
Es sind Annäherungen, Vermutungen und keine Wahrheiten. Aber genau darin liegt ihr Wert. Denn sie machen den Blick weiter, die Gedanken weicher. Die Perspektivwechsel lassen Simone verstehen: Es geht nicht nur um „die andere“, es geht auch um sich selbst. Um eigene Grenzen, alte Muster, verletzte Erwartungen. Und um die Frage: Wie will ich jetzt und zukünftig damit umgehen?
Durch diese Reflexion verändert sich ihre Haltung. Nicht plötzlich, aber spürbar. Simone beginnt, klarer zu kommunizieren. Weniger verletzlich, mehr bei sich. Ohne Schuldzuweisung. Ohne Erwartungsdruck. Einfach mit einer anderen Energie.
Andrea bleibt, wie sie ist – zumindest vorerst. Aber der Kontakt verändert sich. Die Spannung nimmt ab. Das Nebeneinander wird wieder möglich, vielleicht sogar ein gelegentliches Miteinander. Es ist keine Versöhnung. Aber eine Entlastung. Und das reicht.
Denn manchmal braucht es nicht beide, damit sich etwas verändert. Manchmal reicht es, wenn eine bereit ist, hinzusehen. Und den ersten Schritt zu machen – nicht auf die andere zu, sondern zu sich selbst. Für den eigenen Frieden.