Zoë Schlär ist seit fast 20 Jahren Mediatorin und versteht sich als Übersetzerin in Konfliktsituationen – sowohl im Beruflichen als auch im Privaten. Zudem ist sie Ausbilderin für Mediation, Trainerin und Systemischer Businesscoach. Für Creme Guides schreibt sie über festgefahrene Situationen, neue Begegnungsräume und das gegenseitige Verstehen, um nachhaltige Veränderung zu erreichen.
Sabine und Andreas haben sich erst vor wenigen Jahren kennengelernt. Beide sind keine Anfänger mehr im Leben, sie bringen Erfahrung mit, beruflich wie privat. Sabine war lange verheiratet, hat sich in ihrer Karriere etabliert und weiß, was es heißt, Verantwortung zu tragen. Andreas hat mehrere Firmen gegründet, Beziehungen ausprobiert, Brüche überstanden und immer wieder neu begonnen. Er ist Vater von zwei Töchtern, für die er bis heute finanzielle Verantwortung trägt. Beide haben Tragödien erlebt, Erfolge gefeiert und kennen das Gefühl, auch nach Niederlagen wieder aufzustehen.
Ihre Beziehung trägt Spuren dieser Biografien. Mal wirkt sie leicht und zugewandt, mal droht sie ins Wanken zu geraten. Harmonie, Gelassenheit und Leichtigkeit, das ist es, wonach sich beide sehnen. Deshalb entscheiden sie sich, nicht allein weiterzumachen, sondern bewusst Unterstützung von außen anzunehmen. In den ersten moderierten Gesprächen erleben sie, dass es einen Unterschied macht, ihre Muster laut auszusprechen.
Manchmal genügt schon ein Moment des Innehaltens, ein Satz wie „Stimmt das wirklich, was ich da gerade über dich denke?“, um die Perspektive zu verschieben. Für sie ist klar: Werte wie Großzügigkeit und Achtsamkeit gehören zu ihnen, sie wollen sie nicht verleugnen oder kleinreden. Doch sie lernen, dass Reflexion Türen öffnen kann, hin zu Verhaltensweisen, die beiden besser dienen, ohne die eigenen Überzeugungen aufzugeben.
Im Alltag zeigt sich das immer wieder. Sabine lädt gern Freunde ein, deckt den Tisch mit einem Glas mehr, als Gäste zugesagt haben, und lässt dabei die Zeit vergessen. Andreas hingegen greift dann zum Notizblock, überschlägt Kosten, denkt an kommende Verpflichtungen und fragt sich, wie es nach dem Abend weitergeht. Für beide ist es Ausdruck von Fürsorge – doch bis vor kurzem konnten sie genau das beim anderen nicht sehen.
Sabine, die aus einer wohlhabenden Familie stammt und in einem sicheren, gut bezahlten Job arbeitet, denkt gern großzügig. Sie lädt ein, teilt, gönnt. Für Andreas dagegen hat Achtsamkeit im Umgang mit Geld einen hohen Stellenwert. Er wirtschaftet umsichtig, nachhaltig, mit einem Blick auf das, was bleibt. Im Streit allerdings kippen diese Haltungen: Was für den einen Fürsorge und Vorsicht ist, erscheint der anderen als Geiz. Was für sie Ausdruck von Lebendigkeit und Freiheit bedeutet, empfindet er als Verschwendung.
Im Gespräch gelingt es ihnen, diese Zuschreibungen zu hinterfragen. Sie erkennen, dass Großzügigkeit und Sparsamkeit keine Gegensätze sein müssen, sondern zwei Kräfte, die sich gegenseitig ausbalancieren können. Das eine gibt Fülle, das andere Stabilität. Beide Haltungen haben ihren Wert und beide können, wenn sie sich verbinden, das Fundament einer Beziehung stärken.
So planen Sabine und Andreas nun ihren nächsten Urlaub. Sie stellen sich vor, wie sie in einem kleinen Hotel an der Küste sitzen: sie gönnt sich das Abendessen mit Meerblick, er sorgt dafür, dass die Reise auch im Alltag noch nachklingt, weil sie finanziell tragfähig bleibt. Diesmal soll es kein Streit werden, sondern ein Versuch, die Unterschiede als Bereicherung zu leben. Sie spüren, dass gerade im Zusammenspiel ihrer Haltungen eine Kraft liegt. Großzügigkeit öffnet Räume, Sparsamkeit gibt Halt. Beides zusammen kann ihr Miteinander stabil und zugleich lebendig machen.