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Jon Fosse Loblied auf einen Schriftsteller

Dienstag, 07. November 2023
Advertorial

Die großen Druckereien des Landes halten für diese Entscheidung extra Spielräume frei. Bevor sich in Stockholm die Türen öffnen und der ständige Sekretär der Schwedischen Akademie verkündet, wer den Literaturnobelpreis erhält, herrscht in der Buchwelt erhebliche Nervosität. In diesem Jahr wurde er bekanntlich dem Norweger Jon Fosse zugesprochen.

Und weil dies eine überaus erleichternde Nachricht ist, denn er hat ihn sehr verdientermaßen erhalten und weil dank der schnellen und effizienten Arbeit der Druckereien nun auch die Bücher von Fosse wieder ausreichend verfügbar sind, sei hier ein Loblied auf diesen außerordentlichen Schriftsteller gesungen.

Glücklich dürfen sich Diejenigen schätzen, die Fosse bislang nicht gelesen haben. Seine Prosa ist kurz und intensiv. Es geht im Grunde gar nicht um eine Handlung, einen Plot oder gar erzeugte Spannung. Im Zentrum seiner Romane stehen meist einfache Leute, Fischer, Umherreisende, Landschaftsmaler. Die Sorgen sind die alltäglichen, die Sprache reduziert.

Das suggestive dieser Prosa kommt aus der Melodie der Sprache, aus einer kunstvollen Rhythmisierung, mit der das Schlichte des Sujets einerseits einen Ausdruck findet, andererseits aber literarisch bezaubert wird. Mitunter hat man beim Lesen das Gefühl, es wiederholt sich einfach alles nur, die Abläufe würden einfach immer wieder von vorn erzählt, um dann jedoch bei weiterem Lesen zu erkennen, dass es elliptisch vorangeht, sich in der Wiederholung verändert. Auf diese Art ähnelt Fosse-Lesen einer Meditation.

Das funktioniert nicht so nebenbei, sondern bedarf der Einstimmung oder Einschwingung – und wenn es dann funktioniert, ist es ein gleichermaßen meditatives wie metaphysisches Ereignis. Denn Fosse zielt immer wieder auf die Überwindung der Grenze zwischen Leben und Tod. Sein beeindruckendster kurzer Roman „Morgen und Abend“ ist das traurigste und gleichzeitig fröhlichste, tröstlichste Buch über den Morgen des Lebens und den Abend des Todes. Eine Erfahrung.

Wer sich der pursten und kunstvollsten Form des Schreibens von Jon Fosse nähern möchte, greife bitte zum Opus Magnum, der Heptalogie. Unter den Titeln „Der andere Name“ und „Ich ist ein anderer“ sind bisher fünf der insgesamt sieben Teile auf Deutsch erschienen. Was Fosse hier an Tiefe auslotet, was er an Glaubensfragen und Kunsttheorie ganz beiläufig in die Überlegungen seines Helden einfließen lässt, das gehört zum Feinsten, was Sie sich gegenwärtig lesetechnisch gönnen können.

Auch hier geschieht überraschend wenig. Der Maler Asle lebt allein in einem kleinen Ort an der Südwestküste Norwegens. Er will nicht mehr malen, was er sieht, sondern will bis zu einem Punkt vordringen, der hinter dem Gegenständlichen liegt. Seine einzigen Freunde sind sein alter Nachbar Åsleik, ein Fischer und Kleinbauer, sowie sein Galerist Beyer. Asles Gemälde, die bei Beyer nicht verkauft werden, gehen weiter in die nächstgrößere Stadt zum Galeristen Kleinheinrich.

Hier hat Fosse seinem zweiten deutschen Verleger Josef Kleinheinrich ein Denkmal gesetzt. Neben den großen Veröffentlichungen im Rowohlt Verlag sind bei Kleinheinrich ein Band mit Gedichten, sowie unter dem Titel „Kindheitsszenen“ einer mit Kurzprosa erschienen. An Kunstfertigkeit setzen diese Bücher Maßstäbe der Buchproduktion: Kleinheinrich druckt auf ausgewählt hochwertigem Papier, die Texte sind kombiniert mit Holzschnitten bzw. Radierungen von Olav Christopher Jenssen, mit Lesebändchen ausgestattet und fadengeheftet.

Neben den konventionellen Ausgaben produziert Kleinheinrich eine geringe Anzahl an Vorzugsausgaben, denen ein originaler Holzschnitt beiliegt und die von Künstler und Autor signiert sind. Weil ich einige der im Verlag erschienenen Bücher im Laden führe, konnte ich dem Verleger auch nach der Nobelpreisverkündung an Jon Fosse ein solches Vorzugsexemplar der „Kindheitsszenen“ für die Knesebeck 11 entlocken. Ein vom Nobelpreisträger signiertes Buch – so etwas hat doch nicht jede Buchhandlung im Angebot. 

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