Dienstag + Mittwoch 10-18 Uhr
Donnerstag 10-21 Uhr
Freitag bis Sonntag 10-18 Uhr
Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Steintorplatz
20099 Hamburg-Innenstadt
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Kleidung. Nichts ist uns körperlich näher. Neben ihrer praktischen Funktion ist sie ein Mittel der Kommunikation, der Selbstgestaltung und der Selbstdarstellung. Kleidung lässt Rückschlüsse auf gesellschaftliche und politische Konstellationen zu. In den 70ern nahm die Emanzipationsbewegung Fahrt auf und Frauen trugen vermehrt Hosen. Das enge Korsett, in das sich Frauen bis zum Ersten Weltkrieg noch einschnürten, verschwand sukzessive nachdem Frauen das Wahlrecht erkämpft hatten.
Die Ausstellung Dressed. 7 Frauen – 200 Jahre Mode stellt sieben modebewusste Frauen und ihre Garderoben vor, beginnend im 19. Jahrhundert bis heute. Im Mittelpunkt stehen die Trägerinnen, die zugleich Performerinnen und Konsumentinnen von Mode sind, ihre Persönlichkeiten und ihre Biografien. Sie erzählen von Ehefrauen der gehobenen Gesellschaft, von einem durch Krankheit gezeichneten Dasein, von „Power Dressing“ und Selbstbewusstsein in der Chefetage, von der Hamburger Punkszene und der widerständigen Ästhetik einer Kunst- und Designsammlerin.
Die Auswahl der Protagonistinnen erfolgte nicht nach Status oder Prominenz, sie bildet vielmehr eine möglichst große Vielfalt von weiblichen Lebensentwürfen und deren modischem Ausdruck ab. Die ausgestellten Teile stammen von bekannten Designer*innen aber auch von anonymen Schneider*innen und Hausnäher*innen. Ergänzt werden die Exponate von biografischen Zeugnissen, Fotografien und Dokumenten der porträtierten Frauen.
Die Ausstellung zeigt auch, wie sehr sich das Selbstverständnis der Träger*innen in den 200 Jahren, die hier abgebildet werden, verändert hat. Darüber hinaus erzählen die Exponate etwas über ihre Träger*innen, deren gesellschaftlichen Stand und deren Haltung zur Gesellschaft. Dazu kommt viel persönliche Geschichte. Neben dem Design der Kleidungsstücke macht das wie, wo, wann sie getragen wurden, Kleidungsstücke zu Einzelstücken.
Das Leben der Frauen, die in diesen Kleidern gelebt haben, ist auf und in den Stoffen verewigt und wird für die Besucher*innen sichtbar. Die Exponate wurden ganz bewusst so gewählt, dass erkennbar bleibt, wie und wo sich persönliche Geschichte an und in den Ausstellungsstücken verewigt hat.
Die sieben Protagonistinnen kommen aus verschiedenen sozialen Schichten und verschiedenen Zeiten. So unterschiedlich deren Hintergründe sind, so unterschiedlich zeigen sich auch die modischen Präferenzen der Frauen. Vom Haute Couture, über Alltags-, Protest- oder Avantgardemode, reflektiert die Ausstellung die facettenreichen Garderoben der Frauen. Mit rund 150 Kleidungsstücken und Accessoires werden ihre Geschichten nachgestellt – und führen 200 Jahre Modegeschichte vor.
Eine der Frauen, deren Kleidung und Geschichten vorgestellt wird, ist die 1807 geborene Elise Fränckel, eine Senatorengattin aus Oldenburg. Diese kleidete sich bereits während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts modisch up to date und trat als Senatorengattin in der norddeutschen Provinz selbstbewusst auf. In einer Zeit, in der das Bürgertum selbstbewusst Mode und Kleidungsnormen eroberte.
Oder Edith von Maltzahn, die als Diplomatengattin vornehmlich in eleganter Tageskleidung und exquisiten Abend- und Gesellschaftstoiletten aus den Jahren 1895 bis 1950 gewandet war. In den überlieferten Kleidungsstücken ist das fortschreitende Leben ebenso eingeschrieben wie die großen Einschnitte.
Wie bei Erika Holst, deren Leben von den Kriegsjahren des zweiten Weltkrieges und einer schweren Erkrankung gezeichnet war. Material, Verarbeitung und Zustand ihrer Kleidungsstücke dokumentieren die für jene Zeit übliche strenge Unterscheidung zwischen Alltagskleidung für den häuslichen Bereich, die für die Öffentlichkeit bestimmte Tageskleidung und die Garderobe für besondere Anlässe.
Dazu gesellt sich die Prêt-à-Porter Kleidung der Hamburger Galeristin Elke Dröscher. Dröscher trug lange Jahre ausschließlich Yves Saint Laurent, der als Couturier ein Vorreiter des Prêt-à-porter war. Saint Laurent übertrug den Pragmatismus der Männerkleidung, die praktisch und repräsentativ ist, auf seine Kollektionen für Frauen. Dröscher nutzte die Mode, um ein bestimmtes Bild von sich selbst zu kreieren, das ihr beruflich nützt und sie persönlich schützt.
Die Kleidung von Ines Ortner, die der Hamburger Punkszene angehört, spiegelt ihre antiautoritäre Haltung und ist aus Materialien und Elementen hergestellt, die frau nutzt, wenn sie keine Lust hat, sich einen Fummel von der Stange zu kaufen. Ines Ortners Interesse an Mode und ihre gesellschaftskritische Einstellung verbinden sich in selbst gebauten Kleid-Objekten. Sie verwirft Gestaltung, Ästhetik, Machart und Materialität konventioneller Kleidung und Mode und inszeniert sie mit Lust an Provokation neu.
Darüber hinaus sehen wir Kleidungsstücke von Angelica Blechschmidt, der ehemaligen Chefredakteurin der deutschen Vogue, die mit Vorliebe schwarze Cocktailkleider und extragroßen Schmuck trug und so einen Stil prägte. Diesem Stil, ihrem persönlichen Modestatement, bleibt sie zeit ihres Lebens treu und sie ist eine der wenigen deutschen Stilikonen, die international Aufmerksamkeit erregten.
Letzte im Bunde der sieben Frauen ist die Designsammlerin Anne Lühn. Anne Lühns Garderobe besteht aus den Werken japanischer Modedesigner*innen Rei Kawakubo, Yohji Yamamoto und Issey Miyake sowie auf der Antwerpener Schule, insbesondere Martin Margiela. Designer*innen, die als ästhetische „Gamechanger“ gelten. Sie entwerfen für eine Abkehr von Körperoptimierung und offensiv zur Schau gestelltem Sexappeal. Im ausgehenden 20. Jahrhundert wenden sie sich einer inklusiveren Ästhetik hinsichtlich Körpergröße und Alter zu.
Eine vielschichtige Ausstellung, die uns etwas über sieben Persönlichkeiten, deren Kleidungsstil, die Zeit, in der sie lebten und leben und über das sich stetig wandelnde Design von Mode erzählt. Hingehen!
Die Ausstellung im Museum für Kunst & Gewerbe läuft noch bis zum 28.08.2022.