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Berliner Lieblingsorte von Galerist Alfred Kornfeld

Mittwoch, 08. November 2017

Die Orte im Überblick

Karte (10)

Alfred Kornfeld hat eine derart herzliche und offene Art, dass ich am liebsten gleich bei ihm einziehen möchte, als ich ihn am vergangenen Freitag in seiner Wohnung in der Fasanenstraße zum Interview treffe. Ein Freigeist. Menschenfreund. Und so voller Neugierde auf sein Gegenüber, dass man sich auch wirklich gemeint fühlt.

Sein Geburtsjahr 1966 könnte passender nicht sein: das Jahr, in dem die Studentenbewegungen ihrem Höhepunkt entgegenstrebten und für Freiheit, Liberalität und Verbundenheit eingetreten wurde, wie später selten noch einmal. Ich verliebe mich umgehend in seine Wohnung und während unseres Gesprächs auch zunehmend in ihn und seine Lebenseinstellung.

Geboren wurde er in Saarburg, wo er als Zweitjüngster mit vier Geschwistern aufwuchs. Im benachbarten Trier absolvierte er eine Banklehre und zog für den Zivildienst nach Frankfurt, um im deutschen Hot Spot für Finanzen, anschließend gleich direkt ins Bankgeschäft einsteigen zu können.

Die Arbeit mit Obdachlosen während des Ersatzdienstes habe ihn sehr geprägt. Dort begriff er, dass jeder einen solchen Bruch in seiner Biografie erleben könne, wenn es in Krisensituationen niemanden gibt, der einen auffängt. Hier habe er gelernt, dass man wirklich jedem Menschen mit Respekt begegnen sollte.

Mitgenommen hat er diese Erkenntnisse dann zunächst in ein eher konträr anmutendes Business, zu dem ihn – und er muss heute selbst darüber schmunzeln –  tatsächlich der Film "Wallstreet" animiert habe. Er wurde Investmentbanker. Ihn reizte die Herausforderung, immer dran bleiben zu müssen, alle möglichen Faktoren im Blick zu behalten, "Mark to Market"-Bewertungen anzusetzen und daraus die richtigen Schlüsse für wirtschaftliches Handeln zu ziehen.

Damals arbeitete man an den Präsenzbörsen noch mit Telexmaschinen und war ständig im persönlichen Kontakt mit Kollegen und Kunden. Mit Einzug der Computer fehlte ihm jedoch zunehmend der direkte menschliche Kontakt. Er wechselte innerhalb der Bank in die Interne Revision und bewertete fortan die Umstrukturierung und Optimierung der internen Prozesse und Richtlinien als auch die Führung an Standorten in der ganzen Welt.

Traineeprogramme, Management-Nachwuchsprogramme, Kreditprozesse und die operativen Prozesse der Investmentbank wurden sein Steckenpferd. Insgesamt acht Jahre verbrachte er in Europas Bankenmetropole London als COO des Investmentbankings. 2006 verließ er die Bank und gründete eine Firma für Architektur und Design, die am nicht ganz passenden Zusammenspiel der beiden Gesellschafter scheiterte.

Aufstehen und aus den Misserfolgen lernen! Zwei Jahre später stieg er in Zürich über ein Beratungsmandat zum CEO einer Firma für Informationstechnologie für Services und Beratung auf. Später wurde er Miteigentümer. Erneut reiste er viel in Europa und lernte unterschiedliche Organisationen und Kulturkreise kennen. Ein aufregendes Leben. Aber war das alles?

Er beschloss einen Richtungswechsel. Es wurde Zeit, inne zu halten: "Was waren die letzten 40 Jahre? Was war wirklich wichtig im Leben?" – Zeit für ein Resümee. Gemeinsam mit seinem damaligen Partner Mamuka Bliadze, der in der Kunst beheimatet ist, sowie Anne Langmann gründete er die Galerie Kornfeld.

An das Thema Kunst hatte Kornfeld bereits mit Anfang Zwanzig sein damaliger Partner, der Kabarettist Robert Kreis, herangeführt. Damals erwarb er erste Kupferstiche und Zeichnungen aus den 20er und 30er Jahren, die bis heute Bestandteil seiner Sammlung sind. Über Mamuka Bliadze gewann er dann noch einmal einen ganz neuen Zugang zur Gegenwartskunst.

Er begann sich nicht mehr nur für das Kunstwerk selbst, sondern auch für die Künstler dahinter zu interessieren. Als Sammler handle er dabei stets aus dem Bauch heraus. Ganz anders als bei seiner Arbeit als Galerist. Dort sei er ganz Stratege. Wie so oft in seinem Leben reize ihn am Galeriealltag vor allem auch die persönliche Arbeit mit den Menschen. Er möchte seine Künstler in der Welt sichtbar machen und ihnen einen festen Platz im Kunstmarkt verschaffen.

Mit großer Leidenschaft kümmere er sich daher heute, gemeinsam mit einem Team von drei Mitarbeitern, ausschließlich um die Galerie, wobei er mit Vorliebe international erfolgreichen Künstlern eine Plattform gebe, die in Deutschland noch wenig bekannt sind. Auch "Rediscovery Positionen" aus den 60er, 70er und 80er Jahren würden immer wieder in den Fokus gerückt.

Wichtig sei die emotionale Wahrnehmung der Arbeiten – neben dem kunsthistorischen Bezug und der Bedeutung der Werke in der Zukunft. Ästhetischer Zugang und Konzept sollten immer eine Einheit bilden, so Kornfeld. Dies gilt auch für den Projektraum 68projects vis-à-vis des Stammhauses in der Fasanenstraße. Hier stehe, in Ergänzung zu der kontinuierlichen Zusammenarbeit mit den Künstlern des Galerieprogramms, der Wechsel und Austausch mit internationalen Künstlern und Kuratoren im Fokus.

Unabhängig von seiner leidenschaftlichen Arbeit als Galerist möchte er sich zukünftig auch politisch und gesellschaftlich mehr engagieren. Für ein besseres Miteinander. Integration. Globale Themen. Fragen wie: "Wie gehen wir miteinander um? Auch digital! Wie kann man die Anerkennung für politisches Engagement wieder motivierender etablieren?" beschäftigen ihn zunehmend.

Ein wirkliches Ende unseres Gesprächs gibt es nicht, eher Vorfreude auf weitere spannende Beisammensein. Der Terminkalender mahnt zum Gehen. Ich werfe einen letzten Blick in die so entspannt und stilvoll eingerichteten Räume voller Bücher, besonderer Accessoires, wie die Duftkerzen von Fornasetti, die hier so gar nicht kitschig wirken und natürlich jeder Menge Kunst.

Wo Alfred Kornfeld es in Berlin am schönsten findet, hatte er mir zu diesem Zeitpunkt natürlich schon längst verraten...

Tipp. Zu den Details der einzelnen Orte gelangen Sie über das Anklicken der orange markierten Namen!

Thaiwiesen. Im Preussenpark in Wilmersdorf findet man "Thailand at its best!", schwärmt Alfred Kornfeld. „Lebenslust pur und Freude, die durch den Magen geht.“ Hier kämen nicht nur Thailänder, sondern ein bunter Mix asiatischer Menschen zusammen, die ein "Feuerwerk der Genüsse" entzündeten. Und das völlig unreguliert und unzensiert. Seine Lieblingsspezialität: der Papaya Salat! 

Semiramis. Das armenische Restaurant, benannt nach den hängenden Gärten von Semiramis, werde von einem ungeheuer charmanten Patriarchen und seinem Team geführt. "Das beste Fleisch der Stadt gibt es hier!", so Kornfeld. "Mit einem Service und einer Atmosphäre, die von Herzen kommt. – Von Freunden für Freunde."

Maranello. In das italienische Restaurant von Gastgeber Gimmi und seiner Frau am Fasanenplatz kehre er immer nach den Vernissagen seiner nahegelegenen Galerien ein. "Hier lassen wir nach Ausstellungseröffnungen bei Pizza, Pasta und Tiramisu den Abend mit unseren Künstlern und Gästen in gemütlicher und lockerer Atmosphäre ausklingen." Auch Caterings beziehe er gerne von hier.

Manzini. In dem "West Klassiker" in der Ludwigkirchstraße sei nicht nur das Schnitzel mit Gurkensalat erwähnenswert, sondern auch die abwechslungsreiche Wochenkarte mit ausgefallen Gerichten "aus einer Küche, die sich was traut". Hier wüssten die Kellner noch, wie man die Herzen der Gäste durch guten Service erobert, schwärmt Kornfeld.

Literaturcafé. Das Café in seiner unmittelbaren Nachbarschaft besuche er beinahe täglich. Sowohl für Verabredungen zum Mittagessen als auch für laue Sommernächte auf der Terrasse. Die Karte biete neben Klassikern wie Nürnberger Rostbratwürsten und Caesar Salad immer Saisonales und sei auch für Vegetarier interessant. Die Buchhandlung im Erdgeschoss des Hauses biete im Übrigen interessante Lesungen und sei ganz sicher erlebnisreicher als jeder Besuch auf Amazon.

Kupferstichkabinett. "Alte Brillanz und analoges Handwerk als Kontrast zum digitalen Zeitalter.", das schätze er an diesem Ort. Hier finde man Papier, Papier, Papier vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Dabei sei dieses im Gegensatz zur Leinwand immer unverfälscht und echt. Mit Kupferstichen nahm einst auch seine Sammelfreude ihren Anfang.

Philharmonie. Selbst nach all den Jahren muss sich die Architektur von Hans Scharoun nicht hinter der von Herzog & de Meuron für die Elbphilharmonie verstecken. Und die dort musizierenden Berliner Philharmoniker ohnehin nicht. Zuletzt habe er dort Mahlers 3. Symphonie in D-Moll unter dem Dirigenten James Levine gehört: "Hammer!"

Südblock. Das Café am "Kotti" habe nicht nur eine super Sonnenterrasse, sondern sei auch Anlaufstelle für unterschiedlichste Menschen. Dieser Ort schließe vor allem Menschen mit ein, die neu in die Stadt kommen. Queer-Treff, Haarsalon und Location für Livemusik oder Kunstevents mit Disko gleichermaßen. "Ein wirklich wichtiger Ort der Begegnung.", meint Kornfeld. Hier fühle man sich als Mensch unter Menschen.

Maienwerder. Auf einer der sieben Inseln im Tegelersee habe sein bester Freund eine Datscha. Dort im Sommer zwei Nächte mit Schwimmen am Morgen und Gartenarbeit am Nachmittag zu verbringen, lasse das Großstadtleben und den Galeriebetrieb schnell vergessen. "Die perfekte Erholung!"

Astor Lounge.  Die komfortablen Schlafsessel mit Fußhocker dieses historischen Kinos machten jeden Film zum echten Genuss. Es gebe gute Snacks und eine Weinkarte, aus der ein super freundlicher Service serviere, während man selbst schon mal die Beine hochlege. "Kulinarisches Filmtheater!"

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