„Professionell Kochen und Fressen seit 33 Jahren.“ – Tim Raue galt einst als Enfant terrible der Berliner Gastroszene, heute dürfte der umtriebige Sternekoch ihr bekanntestes Gesicht sein. Neben mehreren Restaurants hat der gebürtige Berliner gleich zwei eigene Fernsehformate: „Herr Raue reist“ führt ihn gastronomisch durch die ganze Welt, „Tim Raue isst“ durch Deutschland. Hinzu kommen weitere regelmäßige Auftritte in „Kitchen Impossible“ und „The Taste“. Seine Amazon Prime Serie „Star Chef“ war gerade für den Deutschen Fernsehpreis nominiert.
Bang! – Das ist mein erster Gedanke, als ich aus dem Interview mit Tim Raue komme. Gespräche mit dem Multitalent sind ein tausend Meter Sprint. Raue ist ein rastloser Geist. Er möchte sich nicht auf eine Sache, einen Ort beschränken. Es scheint wenig zu geben, das den Weltenbummler nicht inspiriert. Er liebt es zu gestalten, immer wieder zu verändern. Als gierig nach Input und Reizen bezeichnet er sich selbst.
Zahllose Auszeichnungen hat er erhalten. Oft auch gemeinsam mit seinem Team fürs Restaurant. „Das hilft uns in schweren Zeiten wie heute“, sagt er. Das Restaurant Tim Raue, das er gemeinsam mit seiner ersten Frau Marie-Anne Wild betreibt, ist oft ausgebucht. Der erste Knall erfolgte nach der Veröffentlichung der zweiten Netflix Staffel „Chef’s Table“, die dem Berliner eine eigene Folge widmete.
Allein die Erstausstrahlung brachte seinerzeit 41.000 Tischreservierungen. Bis heute kämen vermutlich die Hälfte der Gäste dieser Serie wegen. Auch wenn er die Episode durchaus kritisch sieht, weil die Menschen, die seinen Erfolg mitbegründen, nicht gezeigt werden und von ihm ein sehr eindimensionales Bild gezeichnet wird, ist er extrem dankbar dafür, dass er in diesem Rahmen porträtiert wurde.
Durch die Popularität von Kochsendungen habe sich in Sachen Ernährung viel getan in Deutschland. Dennoch würde er sich noch mehr Bewusstsein für gesundes Essen wünschen: „Wir rangieren da noch immer weit hinter Ländern wie der Schweiz, Österreich und Dänemark. Von Spaniern und Franzosen möchte ich gar nicht anfangen.“, sagt er. Aber immerhin tue sich viel. „Die Richtung stimmt!“, betont er anerkennend.
Nebenbei hat er immer wieder auch Projekte abseits der Gastronomie. In den nächsten Tagen wird beispielsweise ein Kaschmirschal aus Cooked Cashmere präsentiert, den er mit dem Fashionlabel FTC Cashmere kreiert hat. Es wird ihn in sechs Farben korrespondierend zu sechs Gerichten aus der Feder von Raue geben.
Mit dem österreichischen Brillenlabel Andy Wolf hat er vergangenes Jahr zwei Sonnenbrillen in „Steirischgrün“ und „Preußischblau“ entworfen. Mit ASA Selection hat er eigene Tellerserien gestaltet, mit Zwiesel Glas ein eigenes Burgunderglas. Die vielfältigen Kooperationen sind kein Zufall: Raue bezeichnet sich selbst als „extremen Konsumfreak“. Dabei sind ihm Handwerk und Qualität wichtiger als große Labels. Und gerne gestalte er eben auch selbst.
Dass der Umami-Fan Freude an schönen Dingen hat, sieht man auch an seiner eigenen Garderobe. Während unseres Interviews trägt er beispielsweise die knallrote Hose eines japanischen Designers, der im Baskenland lebt, dazu rote Birkenstock und ein lässiges Leinenhemd. Eigentlich trage er nur blaue Hosen und blaue Cashmere Pullover, aber seine Frau verpasse ihm neuerdings auch Farbe, lacht er.
Zurück zum Essen. Auch hier gibt es Kooperationen. Mit dem Foodlabel Planted hat er zum Beispiel eine Hühnerbrust aus Erbsenprotein entwickelt. „Sieht aus wie Hühnerbrust, hat die Konsistenz von Hühnerbrust, ist aber rein aus Erbsenprotein. Keine Konservierungsstoffe, keine Geschmacksstoffe.“, schwärmt er. Für Uber Eats saß er gerade in der Jury für den Uber Eats Award.
Sein aktuell größtes Projekt ist der Berliner Fernsehturm. Das sei beinahe eine Lebensaufgabe, sagt er. 1,1 Millionen Besucher pro Jahr kommen dort hoch, davon 600-800 pro Tag ins Restaurant. Vom Frühstück über All-Day Dining bis zum Dinner kann man hier essen. Der erfahrene Gastronom kümmert sich dabei um jedes Detail. Im April 2025 geht das neue Konzept an den Start.
Dann wird es statt zehntausender Aperol Spritz pro Jahr eine Berliner Variante geben. Die Spirituose kommt von dem beinahe 200 Jahre alten Berliner Spirituosen Hersteller Mampe. Das Bier liefert Brlo, der Büffelmozzarella kommt aus Brandenburg. Der Burger fliegt von der Karte, dafür wird es ein Berliner Schnitzel geben. Und das alles zu vernünftigen Preisen.
Tim Raue ist perfekt für den Job, findet er doch generell im Leben lieber Lösungen als zu klagen. Sicher begründet auch diese Eigenschaft seinen Erfolg. Wenn er nicht wie zuletzt für die Serie „Tim Raue isst“ durchs Land reist, um Spezialitäten unserer Zeit vom Döner Kebap über Maultaschen und Schnitzel bis zum Burger vorzustellen, ist er gerne auch in seiner Wohnung in Graz, der Heimat seiner Frau.
Berlin ist und bleibt aber seine Heimat. Wo er hier am liebsten einkaufen und essen geht? Das hat er uns natürlich auch verraten!
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Tim Raue shopped leidenschaftlich gern. In Berlin vor allem bei Andreas Murkudis. Die Mode hier ist „hoch individuell, ein Mix aus japanischer und italienischer Fashion“. Es gibt grundsätzlich kein Branding, dafür großartige Stoffe bei den Italienern und großartige Schnitte bei den Japanern. „Die Kleidungsstücke hier fühlen sich an, als seien sie ein Familienmitglied, als würde man nichts anderes mehr tragen wollen.“, schwärmt der Starkoch in den höchsten Tönen.
Andreas Murkudis |
Potsdamer Straße 77-87 | 10785 Berlin-Tiergarten
Weil der gebürtige Berliner so viel reist und arbeitet, muss er sich gesund ernähren, um Kraft und Energie zu haben. Wenn er in seinem Restaurant ist und in der Küche niemanden nerven möchte, bestellt er sich daher hin und wieder via Uber Eats bei Stadtsalat einen „Classy Kebap Planted“, also eine vegane Alternative mit viel Energie und Ballaststoffen. Dieser Salat beschwert nicht und hilft ihm, einen langen Arbeitstag gut durchzustehen.
Stadtsalat |
Friedrichstraße 113 | 10117 Berlin-Mitte
„Guilty pleasures“ gibt es aber natürlich auch bei Tim Raue, denn was wäre das Leben ohne Zucker, Fett und Frittiertem? Für diesen Fall muss für ihn der Burger „Fleischermeister“ vom Burgermeister her. So wie er ist, reicht er dem Genussmensch Raue aber nicht: „Da bin ich mehr, wie jemand, der sich einen fetten Sportwagen kauft und noch ‘ne Runde drauf pimpt. In meinem Fall, ganz wichtig, nochmal eine extra Portion geschmorte Zwiebeln und eine extra Portion Käse, damit das Ding auch ganz weit weg von gesund ist.“ Denn der "Fleischermeister" enthält absolut kein Gemüse, so Raue, nur Brot, Fleisch, Käse, Fett, Hitze. „Das setzt dann so richtig schön auf die Hüften“, lacht er.
Burgermeister |
Skalitzer Straße 136 | 10999 Berlin-Kreuzberg
Die chinesische Küche ist für mich die elementarste, betont der Umami-Profi. Auf der Kantstraße gibt es dieses ganz kleine Restaurant zwischen all denen, über die schon zigfach geschrieben wurde: das Dodeli. Von einem Paar geführt – sie im Service, er in der Küche. Die Gerichte sind halb südchinesisch, halb sitzuchan, das heißt sie sind scharf und intensiv. Ein Gericht gibt es, für das er um die ganze Welt nach Hause fliegen würde, um es zu essen: der „Zweierlei Schweinebauch“. – „Einfach nur göttlich!“, so Raue. Aber auch das Gemüse sei unfassbar gut zubereitet. „Dodeli ist für mich nach Hause kommen.“, schließt er seine Lobeshymne.
Do De Li |
Kantstraße 120 | 10625 Berlin-Charlottenburg
„Als Berliner jet det Leben nisch ohne Currywurst und ohne Döner!“ Ich bin mit Curry 36 groß geworden. „Bis heute ist das ein ganz wichtiger Ort für mich, weil ich mir hier immer – sozusagen als Gruß aus der Küche – schön lecker eine Currywurst ohne Darm hole und dann zu Mustafas Gemüsekebap rübergehe, meiner nächsten Empfehlung.“
Curry 36 |
Mehringdamm 36 | 10961 Berlin-Kreuzberg
Bei dieser Dönerbude am Mehringdamm in Kreuzberg klopf Tim Raue meist direkt bei Inhaber Tarek an, um seinen Berliner Gemüsekebap mit Chicken-Fleisch zu bekommen. „Ja, der ist kein klassischer Döner, aber davon spreche ich jetzt auch nicht“, betont er. „Ich bin Berliner und ich mag genau diese beiden Institutionen: Curry 36 Und Mustafas Gemüsekebap!“
Mustafas Gemüse Kebap |
Mehringdamm 32 | 10961 Berlin-Kreuzberg
Da Raues Tag immer eher 18 Stunden hat als weniger, muss er auch irgendwo zu Unzeiten einkehren können. Sein absoluter Lieblingsladen, weil er auch fast 365 Tage im Jahr geöffnet hat, ist Madame Ngo von Duc Ngo auf der Kantstraße. Ein Vietnamese, bei dem man natürlich auch eine klassische Pho essen kann, so der Sternekoch. „Ich gehe aber für das Dreierlei vom Schweinebauch dorthin. – Ist jetzt schon die zweite Empfehlung mit Schweinebauch, aber von irgendwas muss sich ja mein eigener Bauch auch gebildet haben.“, lacht er. „Richtig geil“ sei auch das „Bún bò Nam Bộ“: „Zum anbeten!“
Madame Ngo |
Kantstraße 30 | 10623 Berlin-Charlottenburg
„Was nie fehlen darf, ist Zucker in meinem Leben.“, leitet Raue ein. Während er Schokolade und Pralinen manchmal auch beiseitelegen kann, kommt er an Eis niemals vorbei. „Eis ist meine große Liebe.“, schwärmt er. Für ihn muss es dafür zu Jones Ice Cream in die Goltzstraße in Schöneberg gehen. „Das Eis ist einfach der Hammer.“ Seine absolute Lieblingssorte „Cheesecake-Rhabarber“ mit salzigen Butterstreuseln gibt es aktuell leider nicht: „Leck mich war das eine Hammernummer!“ Alternativ kombiniert er momentan „Lemon Pie“ mit dem regulären „Cheesecake“. Manchmal nimmt er auch noch ein bisschen „Vanilla-Brownie“ vorneweg und hinten raus ein zartes Passionsfrucht-Sorbet. „Es könnte sein, dass ich ein kleinwenig obsessiv bin und immer ein bisschen zu viel Eis bestelle, aber so muss das sein bei Eis.“, lacht er.
Jones Ice Cream |
Goltzstraße 3 | 10781 Berlin-Schöneberg
Wenn der Abend später wird, gibt es auch bei Tim Raue mal romantisch und es geht mit seiner Frau zu seinem Lieblingsitaliener. „Die Osteria Centrale von Roberto und Mila ist eine große Konstante mit einer tollen Weinkarte. Egal was Roberto kocht, es wird aus den besten Zutaten auf höchstem Niveau eher norditalienisch auf den Punkt gebracht. Er ist für mich einfach the one and only, ich liebe ihn und ich liebe die Herzlichkeit von Mila, die einen bewirtet, als sei man bei ihr zu Hause.“
Ristorante Osteria Centrale |
Bleibtreustraße 51 | 10623 Berlin-Charlottenburg
Wenn der Sternekoch sich nach einem langen Arbeitstag noch „ein richtig geiles Glas Portwein oder Rotwein“ gönnen möchte, dann gibt’s für ihn nur die Weinbar Freundschaft: „Das, was Willi und Schelli da leisten ist außergewöhnlich!“ Die Weinbar sei einfach ein geiler Ort, an dem alles, was Berlin ausmacht, zusammenkommt: Menschen mit viel Kohle, Menschen aus der Kunst, junge Menschen, Alternative, Avantgarde – alles mische sich dort. „Der gemeinsame Nenner ist es, guten Wein zu saufen und bei zwei wirklich einzigartigen Charakteren zu sein“.
Freundschaft |
Mittelstraße 1 | 10117 Berlin-Mitte