Hektisch und etwas überdreht habe ich ihn mir vorgestellt, den Sternekoch Ralf Zacherl. Doch als ich ihn vor ein paar Tagen zum Interview im Schmidt Z&Ko in Steglitz treffe, erweist er sich als überaus besonnener und einfühlsamer Gesprächspartner, der nicht nur angenehm reflektiert über sich selbst zu reden vermag, sondern obendrein gut zuhören kann. Wie er denn zum Kochen gekommen sei, frage ich ihn als erstes und er muss lachen: "Ich habe einfach zu oft das gemacht, was ich eigentlich immer für mich ausgeschlossen hatte."
1971 wurde er im Badischen, genauer gesagt in Sachsenhausen bei Wertheim, geboren. Ging dort zur Schule und wollte wohl nie etwas weniger als Koch werden. Schreiner, Tierarzt oder Bundesgrenzschützer, davon hatte er geträumt. Doch als seine Klassenlehrerin bei nahendem Schulende, seinen Eltern "den Floh ins Ohr setzte", er solle doch aufs Wirtschaftsgymnasium gehen, bedurfte es einer raschen Alternative. Er besann sich auf seine zahlreichen Ferienjobs in der Gastronomie, tat es seinem Vater gleich und wurde Koch. "In der Küche war die Zeit beim Jobben immer rasend schnell vergangen“, erzählt er. "Und Spaß hat es obendrein auch noch gemacht".
Seine Ausbildung machte er dann in einem Restaurant in Wertheim, während derer ihm ein Freund von seiner Arbeit in der Sternegastronomie erzählte und ihn zu dem festen Entschluss veranlasste, sich diesen Stress niemals anzutun. Doch schon kurze Zeit später lernte er den Sternekoch Stefan Marquardt beim Flippern mit Freunden kennen, lies sich von ihm in das Restaurant 3 Stuben nach Meersburg holen und wanderte in Folge durch zahlreiche einschlägige Sterneküchen. Er arbeitete für Harald Wohlfahrt in der Traube Tonbach und für Egbert Engelhardt im Restaurant Graues Haus, deren Küche er später gemeinsam mit Rolf Laudenbach zum ersten Stern kochte.
1998 überredete ihn Otto Koch, einer der besten Köche der Welt, im Luxushotel Athenee Palace auf Djerba, ein Gourmet-Restaurant aufzubauen. Das Angebot war so verlockend, dass er einwilligte. Doch das beschauliche orientalische Leben war nichts für ihn; nach 18 Monate strich er die Segel. Nun zog es ihn in die Großstadt. Ein Vertrag in Köln war bereits unterschrieben, als Berlin rief. Markus Semmler holte ihn ins Restaurant Stil im Stilwerk, von wo es später in die Weinbar Rutz ging, in der er für Carsten Schmidt und Lars Rutz die Küche aufbaute. Binnen kürzester Zeit kochte er sich dort mit seinen Überraschungsmenüs in die Herzen der Berliner Gastrokritiker. Trotz damals noch absurd erscheinender Lage an der Chausseestraße in Mitte, zählte das Rutz alsbald zu den besten Adressen der Stadt.
Parallel begann er mit der Sendung "Mit Zacherl einfach kochen" fürs Fernsehen zu kochen. Wieder einmal eher unfreiwillig, denn nie hätte er sich vorstellen können, vor der Kamera zu stehen. "Viel zu schüchtern war ich damals", betont er. Er wurde der Erste, der vor der Kamera authentisch kochte. Keine vorbereiteten Schüsselchen mit Zwiebeln, Kräutern und Co., keine Unmengen an exotischen Zutaten. Es folgten für die Küchenchefs mit seinen beiden Kollegen Martin Baudrexel und Mario Kotaska und Planet Cook für das ZDF. Er kochte in Johannes B. Kerners unschlagbar erfolgreichen Kochshow neben weiteren Starköchen wie Lafer, Schuhbeck oder Mälzer und ist aktuell in den Produktionen Küchenschlacht und Grill den Hennsler zu sehen.
2014 eröffnete er im Übrigen gemeinsam mit den Schmidts von der Weinbar Rutz und seinem Kollegen Mario Kotaska das Schmidt Z&Ko in Berlin-Steglitz. "Eine Anlaufstelle für Genussmenschen", wie er es nennt. Eine Mischung aus Weinhandlung, Restaurant und Kochschule. "Der Laden ist wie ein Anker für mich", sagt er. "Es ist toll, mal wieder regelmäßige Arbeitszeiten zu haben."
Wenn er nicht beruflich unterwegs sein muss, sei er ein echter "Kiezbleiber" und "Homi". Er liebe seinen kleinen Kosmos direkt vor der Haustür am Schlesischen Tor, die türkische Bäckerei mit den liebenswertesten Inhabern überhaupt, den Bioladen Grünäugig und die Konzerthalle Lido direkt vis-à-vis. Zu einer seiner Lieblingsbeschäftigungen zähle es, am "Schlesi" zu sitzen und die kunterbunte Schar an Menschen zu beobachten, die dort die Treppe von der U-Bahn herunterkomme. "Das sei viel besser als Fernsehen", erzählt er begeistert.
Nach seiner Philosophie beim Kochen gefragt antwortet er ohne großes Gewese: "Ich schaue was da ist und dann mache ich was draus. Das Produkt entscheidet welchen Weg Du gehst. Drei Grundaromen, mehr nicht. – Keep it simple!" Genau so hält er es auch mit seinen Lieblingsorten für Berlin, die er uns im Anschluss an das Interview noch rasch verraten hat...
Tempelhofer Feld. Das riesige Areal fasziniere ihn stets aufs Neue. "Wenn man die alten Landebahnen hinunterläuft, kommt man sich selbst so klein vor." Das bunte Treibe drumherum spiegle im Übrigen auf einzigartige Art und Weise das facettenreiche Leben in Berlin.
Das Rutz. Bis heute ist er mit Restaurant und Bar des Rutz eng verbunden. "Eine wichtige Station war das für mich", sagt er selbst. Mit Marco Müller war er bereits befreundet, bevor der von ihm die Küchenleitung übernahm. "Tolle Leute arbeiten dort und das Essen ist sowieso spitze." Wenn er zum Essen kommt, lässt er sich einfach immer ein Überraschungsmenü servieren. Das macht er in guten Restaurants grundsätzlich so. Erfahrungsgemäß geben sich die Köche dabei, dank des Vertrauensvorschusses durch den Gast, immer besonders große Mühe.
TinTan. Dieser Mexikaner hieß früher mal Papalótl. Zacherl hat ihn bei einem seiner Drehs für die Küchenchefs entdeckt. Mexikanische Küche könne ja sehr gewöhnlich sein, aber hier ist das anders. Der Küchenchef ist Mexikaner, seine Frau Südtirolerin. "Einfach toll ist die im Service." Besonders nett sei es, in kleiner Runde mehrere Vor- und Hauptspeisen zum Teilen zu bestellen und dann von allem zu kosten.
Hammers Weinkostbar. Die Inhaber Manuela Sporbert und Jürgen Hammer kennt Zacherl noch aus alten Rutz-Zeiten. Die Weine sind hervorragend. Dazu gibt es Vesperplatten und französische Delikatessen wie deftige Rillettes, Boudin noir oder auch mal einen frisch gekochten Eintopf. "Hier gehe ich immer wieder gerne hin."
Museumsinsel. Seine Ex-Frau hatte Kunstgeschichte studiert und schleppte ihn früher regelmäßig durch all die Museen hier. Er mag diesen Ort aber vor allem auch als ganzes Ensemble. "Die Stimmung hier ist immer besonders", schwärmt er.
Oberbaumbrücke. Er selbst habe kein Auto, erzählt er mir und wenn er morgens gelegentlich zu Fuß über die Brücke laufen müsse, weil das nächste Car-Sharing-Mobil auf der anderen Seite der Spree steht und er sich ärgere, weil ihm mitten auf der Brücke regelmäßig sein Handynetz zusammenbreche, dann werde der Moment, wenn die Sonne hinter den Brückenbögen aufgeht, zum Highlight des Tages. "Einfach genial!"
Jolesch. Dieser österreichische Kreuzberg-Klassiker zählt zu seinen All-Time-Favourites. Neben alpenländischen Klassikern gibt es hier auch immer eine kleine Karte mit Tagesgerichten, aus denen man sich ein stets sehr anständiges Menü zu einem guten Preis zusammenstellen könne.
Schmidt Z&Ko. "Eine Anlaufstelle für Genussmenschen" sei der Laden, den er seit zwei Jahren gemeinsam mit seinem Kollegen Mario Kotaska und den Schmidts vom Rutz betreibt. "Eine Mischung aus Weinhandel, Restaurant und Kochschule. Ein Ort, an dem nichts muss, aber vieles möglich ist." Die einen trinken hier nur ein Glas Wein oder einen Kaffee und lesen ihre Tageszeitung, die anderen kommen am Abend für ein ganzes Menü nebst Weinbegleitung. Gekocht wird, was der Markt gerade in guter und frischer Qualität hergibt. Viel Vegetarisches, aber auch Fleisch. Freitags gibt es immer Fisch.
Rio Grande. Eine super Location fürs Sonntags-Frühstück. Der Gastraum befindet sich direkt auf Spreehöhe und bietet einen tollen Ausblick. Für ihn selbst gibt es dort immer den Frühstücksteller "Spree - nicht fern ist das Meer" mit geräuchertem Lachs und Räucherforelle nebst Kren, Butter und Toast. Dazu ein Gläschen guten Winzersekt. Mehr braucht er an einem Sonntagmorgen nicht.
Mokum. Eine seiner beiden Lieblingsbars sei diese Bar in der Danziger Straße. Unschlagbar vor allem auch die Flipper dort. Besonders der mit der Adams-Family. Dort trinkt er dann am liebsten Gin Tonic. Kürzlich habe er den Somm 16 entdeckt, einen Gin, den 16 Edelbrandsommeliers im Schwarzwald kreiert haben. "Einmalig gut!" Ob es den bei Mokum auch gibt, habe ich am Ende vergessen zu fragen...