Montag bis Samstag 18-23 Uhr
Sonntag 11-14.30 Uhr und 18-23 Uhr
Berta Restaurant
Stresemannstraße 99
10963 Berlin-Kreuzberg
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Es scheppert, ein paar Teller sind heruntergefallen und zerbrochen – aus der offenen Küche klatscht die versammelte Mannschaft. Auf die Bestellung des Chefkochs schallt ein entschlossenes „Yes, Chef!“ zurück. Nahöstliche Melodien schwirren in der Luft umher, dort ein „How are you?“ Hier ein Bussi, dort eine herzliche Umarmung – das in seiner heiteren Ausgelassenheit ist doch wirklich nicht mehr Berlin. Eher erinnert das fröhlich-angeregte Ambiente im Berta Restaurant an den Beginn einer Nacht in Tel Aviv.
Irgendwo in der Levante jedenfalls, wo die Menschen nicht ganz so missmutig dreinschauen, wie der*die Berlin*in gen Ende des Winters, wenn das Vitamin D längst aufgebraucht ist, Winterexilanten aus Kapstadt zurückgekehrt sind und man sich schon längst nach Frühlingsgrün, Vogelgezwitscher und Sonne sehnt. Im Berta Restaurant unweit des Anhalter Bahnhofs aber herrscht eine ausgelassene Stimmung.
Der Service (wozu im Berta auch die Küche zählt) gibt sich fast überschwänglich freundlich, herzlich, beinah familiär – hier geht es anders zu als in den Restaurants gefeierter Sterneköche. 16 erfolgreiche Restaurants betreibt Assaf Granit in Jerusalem, Tel Aviv und London. Sein Pariser Shabour schmückt ein Michelin-Stern. Seit 2022 nun also Berlin.
Ein Restaurant hier sei schon immer sein Traum gewesen, verrät der israelische Starkoch, denn seine Großmutter habe hier gelebt, bevor sie nach Tel Aviv emigrierte. „Es ist sehr persönlich und aufregend für mich, zurückzukommen und ein Restaurant an dem Ort zu eröffnen, den meine Familie verlassen musste“, so Assaf Granit.
Ein Herzensprojekt also. Von seiner Großmutter stammen auch der Name – Berta –, und der Küchenstil. Klar, Levanteküche, Omas Küche in die heutige Zeit holen, das kennt man in Berlin und es hat sich bewährt. Die eigentümliche Interpretation israelisch-mediterraner Gerichte mit nordafrikanischen, jemenitischen und osteuropäischen Einflüssen ist auch in einer der Levante insbesondere kulinarisch zugetanen Stadt wie Berlin einzigartig.
Viele Gewürze bedeutet diese Küche hier: „Unsere Küche muss immer mehrere Geschmackskomponenten haben. Ein Dessert zum Beispiel ist nie nur süß, sondern auch salzig oder auch etwas sauer“, erklärt der charmante Koch. Denn der beste Platz im Berta Restaurant findet sich ohne Frage direkt am Küchentresen. Dort, wo man der Küchenmannschaft beim Rühren, Abschmecken und Anrichten auf die Hände schaut, ein Pläuschchen hält, noch einmal nachfragt, „Was war da noch einmal drin?“ Und mal mehr, mal weniger dezent darauf hingewiesen wird, aufzuessen, auch wenn der Bauch sich schon wölbt.
Denn wir haben uns in die wissenden Hände der Küche begeben und lassen uns servieren, was sie für gut hält: briocheartiges, jemenitisch jüdisches Kubaneh, das traditionell über Nacht gebacken und am Schabbatmorgen gegessen wird. Dazu Rote Bete Meerrettich Aioli, Creme Fraiche mit Shrug und zerdrückten Tomaten sowie eine intensive und köstliche Anchovibutter.
Knackig frisch kommt der Salat daher, Tahini und ein knuspriges Jemenitisches Ja'ala, eine Mischung aus Nüssen und Samen, die mit Gewürzen überzogen und geröstet werden, sorgen für nahöstliche Aromen – das machen wir ab jetzt zuhause nach! Sehr gut mundet uns erstaunlicherweise auch die buttrige Trüffelpolenta mit jungem grünem Spargel und Parmesan – dabei ist keiner von uns normalerweise ein großer Fan des breiigen Maisgries. Ebenfalls überraschend gut schmeckt das Auberginen Tatar „Criza“: Aubergine püriert, gewürfelt, gebraten und frittiert.
Die Mägen sind schon vor der Vorspeise gut gefüllt und daher teilen wir als Hauptgang den gegrillten und glasierten Oktopus. Wobei wir doch ein wenig sehnsüchtig auf die Kreplach des Nachbarn schielen. Die aschkenasisch-jüdischen Teigtaschen erinnern an Tortellini und werden im Berta Restaurant mit Miesmuscheln, Speck, karamellisierten Zwiebeln, Bier und Milchschaum serviert.
Die feine Aromatik unseres Oktopus in Kombination mit Selleriesalsa und fruchtig, intensiver Harirasauce mit viel Koriander versöhnt uns jedoch schnell wieder über die Wahl unseres Hauptganges.
Und wie bei Oma üblich, kann sie es nicht lassen, uns zu verwöhnen und stellt uns noch ein kleines Schmankerl hin: den Löffel aus Mascarpone- und Brauner Buttercreme mit viel Vanille und einem Hauch persischer Limette kann man nicht bereuen. Am liebsten nähme man ein Eimerchen davon mit, um sich an kalten Abenden in die Wärme zu naschen.
Highlight ist uns allerdings die levantinische Version eines Affogato: Kardamom-Mokka trifft auf Halvaeis und einen Tahinikeks, der dank seiner deutlich wahrnehmbaren Salzigkeit gehörig Geschmack mit einbringt. Die Masse zerschmilzt nach dem Eingießen des Mokkas zwar etwas unansehnlich („Mach nicht so einen Kauz“, hätte meine eigene Oma gesagt), geschmacklich aber ist das ganz wunderbar vielschichtig.
Die lässige Atmosphäre hat sich unlängst in einen beachtlichen Klangteppich verwandelt, dabei bleibt es doch immer gemütlich und behaglich. Orientalische Einflüsse meets Beton und Loft meets Wohnzimmer. Und zwischendrin Gegenstände die geradewegs aus Bertas Zuhause stammen könnten: ein kleiner Servierwagen für Schnaps, aufgereihte Töpfe hinterm Küchentresen, Glasschälchen und Teller mit Blümchenverzierung.
Und so verwundert es nicht, dass Bertas Porträt über alle wacht. Weil ihr Bild dort an der Wand so einsam wirkte, kamen nach und nach Bilder andere Großmütter des gesamten Teams in Petersburger Hängung dazu – und geben darauf acht, dass die Menschen hier genießen und ja aufessen. Und wie Omas Eintopf, kann auch diese Stimmung noch ein wenig über die Kälte hinwegtrösten.