Roland Schimmelpfennig wird seinen Roman "Sie wartet, aber sie weiß nicht, auf wen" am 28. April um 19 Uhr in der Buchhandlung Knesebeck Elf vorstellen. Reservierungen via Email an ...
Ein Scharfschütze schießt für eine Rummelbekanntschaft einen riesigen Stoffbären. – In einer heißen Sommernacht küssen sich zwei über den Dächern der Stadt. – Eine jahrelang bewunderte und begehrte Schauspielerin wendet den Blick plötzlich nicht mehr ab, sondern schließt die Tür.
Roland Schimmelpfennigs neuer Roman handelt von der Liebe in unserer Zeit. Das ist mutiger als man auf den ersten Blick denkt, ist der Liebesroman getarnt als New oder Dark Romance oder Romantic Suspensedoch eines der erfolgreichsten und abgegriffensten Genres derzeit.
Ob Enemies oder Strangers to lovers-Stories, opposites attract, love triangle, hidden identity, soulmates oder single parent – keine Paarungsvariante, die nicht schon mit Genrestempel und Triggerwarnung versehen erzählt worden wäre. Deshalb ist es mutig, heutzutage einen ernsthaften Liebesroman zu versuchen, deshalb ist es großartig, dass Roland Schimmelpfennig mit diesem gerade mal 186 Seiten dicken Roman ein ganzes Genre mal eben in die Tasche steckt und pulverisiert.
In einem Rausch der Bilder erzählt Roland Schimmelpfennig von Liebe als Sehnsucht nach kleinen Momenten der Befriedigung, von Enttäuschung und Verlorenheit. In zehn Szenen, die in nächtlichen Parks, auf Rummelplätzen, in Hotelzimmern, Single- und Familienwohnungen sowie auf Clubtoiletten und über den Dächern der Stadt situiert sind, notiert Schimmelpfennig erotische Dialoge der Annäherung und des Trostes.
Denn eines ist in jeder Szene sicher: Am Ende geht es um Sex. Nur das diese Sicherheit in mancher Szene keine Verheißung bedeutet, denn Sie wartet, aber sie weiß nicht, auf wen ist kein Wohlfühl-Blümchen-Buch, bei dem man sich von "Stelle" zu "Stelle" liest, hier wird es auch mal rauer und in manch beklemmender Geschichte gerät der Sex als Horizont zu einer abgründigen Ankündigung.
Das alles ist knapp und präzise erzählt. Roland Schimmelpfennig ist der Meister der Lakonie. Er labert nicht, sondern kommt zur Sache – und lässt uns trotzdem genügend Raum für eigene Gedanken und Reflexionen. Denn ja, es geht Schimmelpfennig zwar um Liebe, aber in der Liebe wird eine elementare, gesellschaftliche Ebene erreicht, die quasi zwischen den Zeilen von Unruhe, Unfähigkeiten und Flucht erzählt.
Auch wenn es nirgends vermerkt ist, ist dieser Roman eine Überschreibung und Neudichtung von Arthur Schnitzlers Reigen. Dieser hat vor mehr als 100 Jahren Skandal gemacht, so sehr fühlten sich die damaligen Leserinnen und Leser vom Spiegelbild ihrer Liebesverhältnisse provoziert. Heute wünschte man sich einen Aufschrei der lesenden Welt gegen dieses allzu realistische Bild einer verkommenen, fast schon mechanischen Sittlichkeit.
Dieser Reigen für unsere Zeit erzählt gekonnt vom Umfeld von Macht (und Machtmissbrauch), von Sehnsucht (und deren Instrumentalisierung). Die zur Erledigung der Körperlichkeit verkommene Liebe durchwandert die sozialen Schichten vom Proletariat bis zum neoliberalen Reichtum. Von ihr zu erzählen kennt tragische wie romantische Momente, thematisiert Verlorenheit wie auch Schönheit, erzählt von regelbasierter Übereinkunft und auch von liebevoller Überwältigung.
Wie in Whole lotta love von Led Zeppelin fasst Roland Schimmelpfennig die suchtige Getriebenheit und Bedrohlichkeit und fragile Mächtigkeit der Liebe in ein Bild. Nach dem lesen also an den Plattenschrank und das atmosphärische Bild der Liebe wegtanzen! Let love rule!
Hinweis: Roland Schimmelpfennig wird seinen Roman "Sie wartet, aber sie weiß nicht, auf wen" am 28. April um 19 Uhr in der Buchhandlung Knesebeck Elf vorstellen. Reservierungen via Email an buchhandlung@knesebeck11.de