EnglishThis content is
not available in
english
Menü

Treibgut von Julien Green

Dienstag, 09. Juli 2024
Advertorial
Treibgut
von Julien Green
Carl Hanser Verlag
.
28 €

Man vergisst es manchmal, aber wir in Deutschland leben im Grunde im Literaturparadies. Zu unserer Natur gehört natürlich eher das Schlechte zu sehen als das Gute, aber wenn man mal einen Schritt zurück macht, dann sieht man es. Und vor dem Sommer macht man eben einen solchen Schritt zurück, überlegt sich, welche Bücher in den Koffer einzupacken sind. Und dann sieht man es wieder, das Paradies.

Denn im Sommer lesen heißt bekanntlich auch Klassiker lesen. Und wir leben wirklich in einem Land, in dem zuverlässig neue und bessere Übersetzungen älterer Bücher erscheinen. Der "Jahrhundertautor" Julien Green ist ein solcher Klassiker. Geboren 1900 in Paris, dort 1998 gestorben, ein Amerikaner, der französisch schrieb und 1926 seinen ersten Roman publizierte. Sein Werk steht heute in der berühmten "Bibliothèque de Pléiade" neben Balzac und Stendhal, Flaubert und Proust. 

Der Roman "Treibgut" von 1932 erzählt von der Nachtseite einer Stadt und seiner Bewohner. Green erzählt die Geschichte eines reichen Bürgers, der sich selbst entdeckt. Das meint hier weder Sport- noch Achtsamkeitsübungen, weder Therapie- noch Liebeszauber. Ein einziger Augenblick am Ufer der Seine lässt die Hauptfigur Philippe erkennen: Er ist ein Feigling.

Nachts auf einem Spaziergang wird er Zeuge des Hilferufs einer Frau – doch er macht einen Schritt rückwärts und geht nach Hause. Von da an ist klar, er hat seinen Stolz auf einer Lüge aufgebaut. Sein Leben zwischen seiner Frau, die ihn verachtet, und seiner Schwägerin, die ihn heimlich liebt, ist grotesk und lächerlich. "Sicher entging ihm kaum die lächerliche Seite seines Lebens, doch er gab ihr gern einen universellen Sinn und bezeichnete als menschliche Unvollkommenheit, was nichts war als eine sehr persönliche Willensschwäche."

"Treibgut" ist der Roman der zerbrechenden bürgerlichen Gesellschaft zwischen den Weltkriegen. Und auch wenn diese Gesellschaft mit der heutigen nicht vergleichbar ist, so geht uns die Zerbrechlichkeit des zivilen, bürgerlichen Lebens auch heute an. 

Die heimliche Hauptfigur dieses Romans, diejenige, die nie auftritt und doch das gesamte Geschehen maßgeblich prägt, ist die Sprache. Sie ist so unendlich schön und ausgewogen, kennt unzählige Nuancen, brilliert im inneren Monolog genauso wie im zugespitzten Dialog. 

"Ihn packte Lust, die Samttapete herunterzureißen und den weißen Flieder ins Feuer zu werfen. In diesem Haus, wo alles arrangiert war, um dem Auge zu schmeicheln, erwachte in ihm, wie jähes Wetterleuchten, ein Instinkt der Revolte. Doch wagte er sich weder an den Samt noch an die Blumen, denn er fürchtete Élianes Vorwürfe und den spöttischen Blick seiner Frau."

Julien Green lesen heißt Lesen genießen.

Weitere interessante Artikel
Creme Guides
Karte
Reset Map