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Frühlingsnacht von Tarjei Vesaas

Freitag, 04. April 2025
Advertorial
Frühlingsnacht
von Tarjei Vesaas
Guggolz Verlag
.
25 €

„Das ganze Haus fühlte sich anders an, weil dies eine Mal beide, Vater und Mutter, weggefahren waren. Sie waren früh heute weggefahren, und sie hatten ihr eigenes Gewicht mitgenommen. Es war gut mit ihnen auszukommen, aber doch: Jetzt atmete man erleichtert auf und war allein. So dachte der vierzehnjährige Hallstein, als er hineinging. Er dachte »allein«, denn seine Schwester Sissel, die gerade in der Stube saß, bedeutete für ihn nicht irgendeinen Druck, im Gegenteil.

     Und jetzt konnte er tun, was er wollte.
     Lasst mich machen.
     Er baute sich im Hausflur auf, wollte laut ausrufen, dass das alte gelbe Haus erbeben würde:
     Nein, was man alles nicht weiß!
     Und gleich danach:
     Dabei weiß ich mehr, als ihr ahnt!
     So was konnte man rufen, wenn man tat, was man wollte. Aber es war nicht zu hören, er bekam es nicht heraus.“

Schon auf dieser ersten Seite ist viel von dem lesbar, was die Texte von Tarjei Vesaas so besonders macht: Die feinsinnige Annäherung an Kippmomente, die Musikalität (man muss es laut lesen, um richtig zu hören!) und präzise Klarheit der Sprache. Wer einmal Vesaas gelesen hat, wird es so schnell nicht wieder vergessen. An poetischer Intensität und eigensinniger Empfindsamkeit sind diese Texte einzigartig.

Im gerade von Hinrich Schmidt-Henkel neu übersetzten Roman „Frühlingsnacht“ ist die norwegische Natur kurz vorm blühen, Bäume schlagen aus, Knospen springen auf, und der unaufhaltsame Lebenstrieb sprießt auch in den Geschwistern Hallstein und Sissel. Sie sind über Nacht allein zu Haus und spüren die Verheißung des selbständigen Lebens, der Freiheit. Gerade als sie sich zum Abendessen setzen, klopft eine fremde Familie an die Tür, die nach einer Autopanne Hilfe benötigt.

Die Frühlingsnacht wird zu einem herausfordernden Abenteuer, befördert Ungeklärtes zutage und lässt alle Beteiligten verändert zurück. „Hallstein (…) fühlte sich freudig mitgerissen von dieser unerwarteten Ereigniswelle. Er war nicht mehr erschrocken, nur gespannt. So was konnte also an einem einfachen Regenabend ohne Vorwarnung auf einen zukommen.“

Tarjei Vesaas ist der Meister des schwebenden Erzählens. Mit wenigen Worten gelingt es ihm, eine verzauberte Atmosphäre zu schaffen, Grenzen werden durchlässig, Unausgesprochenes klingt zwischen den Zeilen an. Auch in der wunderhaften Übersetzung von Hinrich Schmidt-Henkel wird Vesaas‘ Prosa zu einem eigenen poetischen Raum, den zu betreten zauberhaft und heilsam ist.

Das Staunen Hallsteins über die Ereignisse der Frühlingsnacht überträgt sich direkt ins Innere des Lesenden: „Da war etwas Neues auf ihn zugekommen. Vielleicht nicht gar so neu, aber auf eine andere Weise. Was man alles erleben kann, dachte er. (…) Es gruselte ihn, aber die Worte bannten ihn, die rätselvolle Strömung, die von ihnen ausging.“

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