Philipp Felsch ist der gegenwärtig smarteste Kulturhistoriker des Landes. Seine Studien sind Sneakerspaziergänge durch die Philosophiegeschichte, mit offenem Hemd und schwingenden Armen fängt er Grundsatzdebatten und Weltanschauungsfehden ein. Als Autor ist Felsch ein tanzender Souverän. Für sein neues Buch hat er bei Jürgen Habermas geklingelt.
Allein dieser Einstieg in einen Text über den immerhin berühmtesten lebenden deutschsprachigen Philosophen sucht seinesgleichen, das hat das Niveau amerikanischer Magazin-Portraits. Da ist nicht nur der Portaitierte Habermas „in seinen Chinos und fabrikneuen Reeboks“ im Bild, sondern auch der Schreibende Felsch: „Ich kann nicht verhehlen, dass ich ihm mit Ehrfurcht gegenübertrete.“
Was folgt ist Smalltalk, Tee und dann doch der ernsthafte Diskurs. Felsch nähert sich dem Philosophen über Umwege, er zieht nicht durch die mitunter spröde Sprache der Hauptwerke, sondern arbeitet sich durch Feuilletons, Tagebücher, Aufsätze, Reden etc. – ins Zentrum stößt er trotzdem vor, so viel sei verraten. In jede Etappe des Werks und Lebens taucht Felsch mit aufmerksamer Gegenwärtigkeit ein.
Und so erscheinen in diesem Buch nicht nur die Ideen und Theorien von Jürgen Habermas selbst, dessen Leben und Denken gerät darüber hinaus auch zum Katalysator der über die Jahrzehnte wechselnden Stimmungen in der BRD. Dankbarerweise erzählt Felsch auch ausführlich von Gegnern und Kritik am Werk Habermas – was für all jene unter den Lesenden, die nicht sicher im Stoff stehen, ein Geschenk ist.
Denn eine Philosophie und deren Positionen lässt sich ja viel leichter verstehen, wenn man weiß, wogegen sie sich gewendet und welche Kontroversen sie ausgelöst hat. „Habermas und wir“ ist eine Debatten- und Mentalitätsgeschichte der BRD geworden, leichtfüßig elegant erzählt, treffsicher formuliert. Von so guter geistiger Freshness (um eine Felsch-Formulierung zu verwenden) war lange kein Buch über Theorie. Felsch ist ein Phänomen.