Arbeit und Liebe sollte man trennen! Von dieser Meinung distanziert sich das Berliner Designer-Duo Richert Beil. Jale Richert und Michele Beil sind ein Beispiel dafür, dass diese Kombination auch durchaus erfolgreich ablaufen kann. Beruf und Privatleben – für die beiden sind diese beiden Bereiche verschmolzen. Durch den stetigen Austausch von Ideen und Visionen, gelingt es ihnen, noch kreativer zu arbeiten. Kennengelernt haben sie sich 2009 an der Berliner Modeschule Esmod. Fünf Jahre später gründeten sie dann ihr gemeinsames Label für Wollbekleidung mit dem Fokus darauf, die Ressourcen aus dem regionalen Umfeld zu nutzen. Im Interview sprechen die beiden über ihre Zusammenarbeit als Paar, den Stil ihrer Kleidung und ihre Werte als Designer.
Wie würdet ihr den Stil eurer Kollektionen beschreiben?
Jale: Ein Freund hat einmal gesagt: 'Extravaganter Minimalismus und Purismus scheinen euer Statement an die überfrachtete Modewelt zu sein'. Wir versuchen, Mode authentischer zu machen, so dass man sich besser mit ihr identifizieren kann.
Michele: Die Mode beschäftigt sich sehr mit Tradition und Handwerk. Die Verarbeitung und Langlebigkeit ist uns sehr wichtig.
Was sind eure größten Inspirationsquellen?
Jale: Historische Trachten in Deutschland und Österreich interessieren uns sehr. Viele unserer Key-Details, sowie Materialien, die wir nutzen, sind von diesem Bereich beeinflusst.
Michele: Und vor allem der Alltag, die Familie und Menschen, denen man begegnet. Uns berührt das echte Leben.
Was bedeutet es für euch, Mode zu kreieren?
Jale: Ich habe eine hohe Wertschätzung für die Verarbeitung und Inszenierung von Mode. Die Art und Weise, wie man sich kleidet, macht einen großen Teil der Persönlichkeit aus. Mode kann dabei helfen, sich selbst wertzuschätzen und schön zu fühlen.
Michele: Ich persönlich schätze die Freiheit sehr, das tun zu können, was ich liebe. Gedanklich geht Mode häufig mit Oberflächlichkeit einher. Das wird allerdings in erster Linie von den TV-Medien gefördert, die an hohe Einschaltquoten denken. Tatsächlich ist Mode aber alles andere, als ein oberflächlicher Bereich, denn eine gute Auffassungsgabe und Einfühlungsvermögen sind extrem wichtig, um Designs kreieren zu können. Es geht darum, vielen verschiedenen Faktoren gerecht zu werden.
Sich selbstständig zu machen bedeutet auch, gewisse Risiken auf sich zu nehmen. War das ein Grund dafür, dass ihr gemeinsam ein Label aufgezogen habt?
Jale: Für uns stand immer außer Frage, dass wir zusammenarbeiten. Wir brauchen uns gegenseitig für unsere Arbeit. Das hat sich auch nach all den Jahren nicht geändert.
Michele: Wir verfolgen unsere eigene Vision von Mode. Das ist uns wichtig und funktioniert nur selbstständig.
Wie schätzt ihr das Potenzial von Berlin als Modestadt ein?
Jale: Immer noch schwierig, vor allem, wenn es um den Abverkauf geht. Berlin sollte viel mutiger sein und nicht so sehr schauen, was es in Paris, London und New York gibt. Berlin ist eine freie und unabhängige Stadt und das sollte man auch während der Fashion Week sehen.
Michele: Das Image von Berlin spiegelt nicht unbedingt die Realität wider. Es gibt viele sehr professionelle und tolle Labels, die darum kämpfen Berlin als Modestadt zu etablieren. Meistens tritt allerdings erst der Erfolg ein, wenn sie sich auch international einen Namen gemacht haben.
Ihr habt euch aber trotzdem dafür entschieden, euer Label hier in Berlin zu gründen.
Jale: Wir haben hier viele Kontakte, die wichtig für unsere Arbeit sind. Wir arbeiten mit Agenturen in Berlin und haben wichtige Produktionen in Polen. Gleichzeitig haben wir aber auch viele Partner in Bayern, Österreich und Italien. Wir verbringen somit auch viel Zeit im Jahr außerhalb Berlins.
Hattet ihr schon einmal vollkommen unterschiedliche Vorstellungen während des Designprozesses?
Jale: Nein, eigentlich nicht. Wir haben nicht denselben Aufgabenbereich. Michele arbeitet als Designer und ich als Kreativdirektorin. Gemeinsam arbeiten wir für Richert Beil.
Michele: Wir stellen uns Richert Beil immer als einen älteren Mann vor, der die Richtung vorgibt. Im Grunde ist es einfach ein Image, das wir gemeinsam für uns festgelegt haben.
Gibt es durch eure berufliche Zusammenarbeit mehr Streitigkeiten in eurem Privatleben?
Jale: Wir streiten immer gleich viel, seit wir uns getroffen haben. Allerdings nie bösartig, es sind eher lautstarke Diskussionen. Manchmal ist es schwierig abzuschalten. Vor allem mir fällt das schwer.
Michele: Natürlich ist es auch anstrengend zusammen zu arbeiten und zu leben. Wir sind beide gleichzeitig sensibel und aufbrausend. Aber wir kennen uns sehr gut und achten uns gegenseitig. Wir können es uns nicht vorstellen, den ganzen Tag getrennt zu sein.
Und was möchtet ihr unbedingt in Zukunft ausprobieren?
Jale: Wir arbeiten gerade daran historische Mieder mit Blusen und Hemden zusammenzubringen. Das ist eine Herausforderung, weil relativ schwere und ganz leichte Elemente aufeinander treffen. Die Verarbeitung muss einwandfrei sein.
Michele: Grundsätzlich arbeiten wir viel mit unserem Lieblingsmaterial Loden. Hier sind noch lange keine Grenzen erreicht.