Zoë Schlär ist seit fast 20 Jahren Mediatorin und versteht sich als Übersetzerin in Konfliktsituationen – sowohl im Beruflichen als auch im Privaten. Zudem ist sie Ausbilderin für Mediation, Trainerin und Systemischer Businesscoach. Für Creme Guides schreibt sie über festgefahrene Situationen, neue Begegnungsräume und das gegenseitige Verstehen, um nachhaltige Veränderung zu erreichen.
Jedes Team hat sie – die eine Kollegin, die immer wieder aneckt. Diejenige, die tuschelt, stichelt und ständig eine Wolke aus Misstrauen mit sich trägt. Während alle anderen bemüht sind, produktiv und harmonisch zu arbeiten, zieht sie die Energie aus dem Raum wie ein Staubsauger im Dauerbetrieb. Die einen rollen die Augen, die anderen machen dicht – und niemand weiß so recht, wie mit ihr umzugehen ist. Hinter vorgehaltener Hand wird sie „der Energievampir“ genannt.
Aber was steckt wirklich dahinter?
Hinter diesem Verhalten verbirgt sich oft mehr, als auf den ersten Blick sichtbar ist. Ja, es ist anstrengend. Ja, es nervt. Aber Menschen sind nicht „einfach nur schwierig“. Viel wahrscheinlicher ist, dass sie mit Gefühlen kämpfen, die nicht ausgesprochen werden, mit Bedürfnissen, die nicht erfüllt werden. Mangelnde Anerkennung, das Gefühl, nicht gesehen oder gehört zu werden, oder die Angst, den eigenen Platz im Team zu verlieren – all das kann sich in Lästereien und destruktivem Verhalten manifestieren.
Doch diese Botschaft bleibt ungehört, solange wir die Person nur als Problem betrachten.
Hier kommt die Führungskraft ins Spiel. Es ist ihre Aufgabe, den Elefanten im Raum anzusprechen – und das erfordert Mut. Einfach nur „Ruhe ins Team bringen“ oder den Konflikt wegzuignorieren reicht nicht. Was es braucht, ist ein genauer Blick auf die Dynamik: Warum verhält sich diese Kollegin so? Was treibt sie an? Und vor allem: Wie können die Bedürfnisse des Teams gewahrt werden, ohne die Kollegin auszugrenzen?
Ein klärendes Gespräch ist der erste Schritt. Dabei geht es nicht darum, Vorwürfe zu machen, sondern zuzuhören und die Person hinter dem Verhalten zu erkennen. Oft reicht schon die Frage: „Wie geht es dir eigentlich zurzeit hier bei uns?“ Sie mag banal klingen, doch sie kann Türen öffnen – Türen zu Gefühlen, die bisher unterdrückt wurden.
Wichtig ist, dass Führung nicht mit Nachsicht verwechselt wird. So sehr es darum geht, die Bedürfnisse der schwierigen Kollegin zu verstehen, so essenziell ist es auch, die Grenzen des Teams zu schützen. Es darf nicht sein, dass die Dynamik einer ganzen Gruppe untergraben wird.
Und wenn die Führungskraft diese Aufgabe nicht annimmt? Dann können auch Gespräche mit Kolleginnen helfen. Psychologische Sicherheit entsteht, wenn alle Teammitglieder spüren, dass ihre Sorgen und Meinungen ernst genommen werden. Das gilt auch für die Kollegin, die Widerstand leistet – aber eben nicht auf Kosten der anderen.
Denn am Ende des Tages geht es nicht darum, Menschen zu ändern oder auszuschließen. Die Trennung zwischen der Person und ihrem Verhalten ist ein wichtiger Schritt. Dann geht es darum, Raum zu geben, gehört zu werden – und zugleich klare, faire Grenzen zu setzen. Ziel ist, zu verstehen, was die Kollegin bewegt, das zu tun, was sie tut. Und verstehen heißt nicht, einverstanden zu sein!
Es ist kein leichter, aber ein lohnenswerter Weg, zu schauen, was Menschen brauchen, die blockieren, Gerüchte verbreiten oder Misstrauen säen. Es kostet Überwindung, hier die Hand zu reichen, und öffnet gleichzeitig ungeahnte neue Möglichkeiten.