Berühmte Münchner? Sicher, da gibt es den ein oder anderen. Wirklich beeindruckende Münchner Persönlichkeiten? Schon weniger. Charles Schumann ist jemand, den ich letzterer Kategorie zuordnen würde. Und der es gleichzeitig schafft, diejenigen der erstgenannten Gruppe magnetisch anzuziehen.
Seit über drei Jahrzehnten zählen seine Lokale zu den wichtigsten Bühnen des Münchner Nachtlebens. Hier trifft sich die klischeebesetzte Schickeria ebenso wie die Künstler- und Intellektuellenszene. Mal mittendrin, mal hinterm Tresen, mal in der Küche beim Zubereiten seiner berühmten Bratkartoffeln: Charles Schumann höchstpersönlich.
Gebürtig aus der Oberpfalz und laut seines Taufnamens Karl Georg Schuhmann. Zum "Charles" transformierte er sich während diverser Jahre in Südfrankreich. In der dortigen Clubszene landete er jedoch erst nach einer Ausbildung zum Konsulatssekretär im Auswärtigen Amt sowie dem Besuch einer Hotelfachschule in der Schweiz.
In den 70ern kehrte er zurück nach München, wurde zunächst Barkeeper in der berühmten Harry’s New York Bar – und machte dann sein eigenes Ding. Die Eröffnung der Schumann’s American Bar in der Maximilianstraße läutete dort eine Ära ein.
Mittlerweile ist die Schumann’s Bar am Hofgarten ansässig. Mit größeren Räumlichkeiten und Restaurantbetrieb. Dazu kommen in ihrem Inneren die Fleurs Du Mal und einige Gehminuten entfernt die Schumann’s Tagesbar.
Zum Interview treffen wir uns vormittags in der Schumann’s Bar. Auf dem Weg dorthin gehe ich durch den Hofgarten und lasse die Szenerie des so typisch Münchnerischen Ortes auf mich wirken. Die Sonne scheint, auf den Parkbänken schießt ein französisches Pärchen Selfies. Zwei Müllmänner machen Frühstückspause und unterhalten sich in tiefstem Bayrisch.
Vor der Schumann’s Bar sitzt der erste Gast und nippt an seinem Weißwein. Im Inneren des beliebten Lokals herrscht schon geschäftiges Treiben. Es riecht nach frisch gewienerten Böden, Geschirr klappert und Kellner mit schwarzer Krawatte und weißem Hemd wuseln umher.
Gewohnt stillvoll erscheint auch der Inhaber selbst. Der Anzug sitzt, zwischen Hosenbein und elegantem Herrenschuh blitzen nackte Knöchel hervor. Was bei manchem Mittzwanziger bemüht hip wirkt, trägt der 75-Jährige mit einer solchen Selbstverständlichkeit, dass man sich nur schwer einen anderen Look an ihm vorstellen kann.
"Also, zehn Lieblingsorte, zehn Minuten, oder? Ich bin etwas im Stress", eröffnet Charles Schumann das Gespräch und los geht’s...
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Bar Gabányi. Den Inhaber und seinen ehemaligen Mitarbeiter Stefan Gabányi schätze er sowohl als Mensch, als auch für sein handwerkliches Können. Nur logisch, dass auch dessen eigene Bar am Beethovenplatz nun einen Besuch wert sei.
Cortiina Hotel. Dieses Haus, wie auch das nicht weit entfernte Louis Hotel, seien Orte, die sich angenehm von klassischen Hotelpalästen abhöben. "Boutique Hotel nennt man das heute. Aber das ist so ein blödes Wort", sinniert Schumann. Viel wichtiger, als die Bezeichnung, ist: Er würde sie seinen Gästen empfehlen.
Herz Jesu Kirche. Der moderne Kirchenbau unweit seines privaten Zuhauses sei einfach faszinierend, erzählt der Gastronom. Aber auch generell besuche er zum Beispiel auf Auslandsreisen immer eine Kirche, um deren Ruhe auf sich wirken zu lassen. "Wobei, Ausland? Naja, zuletzt war ich in Leipzig", grinst er dazu.
Hofgarten. "Das ist für mich einfach einer der schönsten Orte in München", so die wenig überraschende Aussage Schumanns zu seinem "Revier". Unbezahlbar sei hier zum Beispiel die Zeit am Sonntagmorgen. Vor allem im Frühjahr, wenn noch alles leer und die Touristengruppen fern seien.
Fleurs Du Mal. "Das ist eine Bar, wie ich mir das vorstelle. Eine Bar für den Gast", erklärt der legendäre Keeper zum separaten Bereich im ersten Stock seines eigenen Lokals. "Hier unten ist es auch gut, aber oben herrscht nochmal eine andere Beziehung zwischen Barmännern und Besuchern", fügt er hinzu.
Manufactum. Hier schätze er vor allem die erlesene Lebensmittelauswahl, gerade Käse und Wurst könne man in dem Geschäft großartig einkaufen. Und Kaffee trinken? "Quatsch, dafür muss ich ja nicht vor die Tür!"
Schlosspark Nymphenburg. Auch dieser ist nicht weit von seinem Zuhause entfernt und früher sei er dort regelmäßig frühmorgens oder spätabends joggen gewesen. "Ich wäre gerne wieder viel öfter dort, aber ich bin ja immer hier", schnaubt Schumann mit gleichzeitig verächtlichem und unverkennbar liebevollem Blick auf die Bar.
Café Dukatz. In der Filiale im Glockenbachviertel genieße er manchmal am Sonntag das wunderbare Gebäck. Sein Lieblingscafé, wenn er nicht in der Tagesbar sei.
Kunstverein München. "Die machen richtig gute Arbeit!", lautet das Urteil zum nahen Kunstverein und den dort stattfindenden Ausstellungen und Veranstaltungen, die er gerne besuche.
Lenbachhaus. Erneut ein Ort, der sich sowohl hinsichtlich Architektur, als auch Kunst lohne. "Da kann man sehen, wie man einen Annex bauen kann, der sich komplett nahtlos in das alte Gebäude einfügt", schwärmt Schumann. Auch die Dauerausstellungen würden mit keinem Besuch langweilig.
Übrigens: Letztendlich werden es dann doch mehr als die ursprünglich gewährten zehn Gesprächsminuten. Unter anderem, weil sich mitten im Interview noch zwei zufällig im Schumann's anwesende Handwerker zur Auftragsbesprechung dazugesellen. Auf Aufforderung des Barchefs und in Teamarbeit bessern wir spontan einige Rechtschreibfehler in Ihrer Rechnung aus. Denn: "So viel Zeit muss sein!", ist Charles Schumanns Aussage dazu. Resolut, aber ohne jede Überheblichkeit.