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Abschied von Sebastian Haffner

Montag, 02. Juni 2025
Advertorial
Abschied
von Sebastian Haffner
Carl Hanser Verlag
.
24 €

Paris. Bohemeleben. Ausgehende 1920er Jahre. – Es gibt wohl kaum leuchtendere Signalwörter, um heutzutage eine anziehende Atmosphäre heraufzubeschwören. Zumal dieser jetzt erschienene Roman von Sebastian Haffner kein vergangenheitsverklärendes Nostalgieprodukt ist, sondern ein bereits 1932 geschriebener, allerdings erst jetzt veröffentlichter Roman. Originaltext also.

Aus Sorge um das bürgerliche Ansehen des Vaters hat der Sohn erst jetzt die Herausgabe des Manuskripts freigegeben. Wer aufgrund dessen nun skandalöse Schlüpfrigkeiten erwartet, wird enttäuscht, die Sorge des Sohnes erweist sich als unbegründet. Zwar werden wir Zeuge einer Liebschaft zwischen Raimund und Teddy – er ist extra für ein paar Tage zu ihr nach Paris gekommen, um die charmant-sprudelnde Liebste wiederzusehen –, allerdings sind da noch all die anderen Umschwärmer, die auch gern Zeit mit ihr beanspruchen.

Die Liebesgeschichte ist also nicht so klar, problemlos und zweisam, wie so etwas heute konventionellerweise erzählt wird. Eher lesen wir von einer Bohème-Gemeinschaft, die in vielerlei Hinsicht zusammenhält und sich hilft: "Überhaupt: Wie sich alle beistanden. Eigentlich hatte keiner Geld und es konnte einem ganz leicht passieren, dass einer kam und sagte: Sag mal, hast du vielleicht fünf Francs, ich möchte heut gern mal wieder mittagessen."

Mit einer Mischung aus Faszination und Befremden blickt Raimund auf Teddys Umfeld, vor allem der Freund Franz, "von Beruf ein verlorener Sohn", ruft beharrlich Eifersucht hervor. Solchen Momenten von Trübsinnigkeit und Gram, denn die beiden haben sich "aus wichtigem Anlass verkracht", stehen wieder Momente unbeschwerter Euphorie gegenüber: "Und plötzlich, aufprasselnd wie ein Flammenbündel: Ach, es ist so fabelhaft!!"

Es ist nicht nur ein Rausch von Schönheit, Glitzer und Lebensgenuss, den wir hier zu lesen bekommen, sondern eine manchmal schmerzhafte Nähe an allen Facetten des Lebens, am Hohen wie am Tiefen, am Jauchzen wie am Seufzen:

"Ich dachte daran wie furchtbar groß und weit und gleichgültig die Welt und der Himmel war, und wie sehr klein Teddy, und wie leicht sie verloren gehen könnte. Und dann dachte ich an Berlin und den Heidelberger Platz und den vorigen Frühherbst. Und ich kniete mich auf üble Art in Erinnerungen hinein und ich machte das Fenster wieder zu, weil es kalt im Zimmer wurde und lehnte die Stirn gegen die Scheiben und mir war die Brust ganz eng und ich war furchtbar sentimental."

Einer Literaturnobelpreisträgerin gebührend hat Elfriede Jelinek einen neben dem Klappentext abgedruckten Kommentar zu diesem Roman notiert, der dieses schön echte Buch im poetischen Herz zu fassen kriegt: "Keiner sagt, was er denkt, keiner denkt, was er sagt. Und sie sagen nichts, was gegen sie verwendet werden kann, doch sie verwenden auch einander nicht. Im kommenden Reich der Finsternis werden sie alle verwendet und verbraucht werden."

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