Nur einen Moment lang hat Naomi nicht auf ihren einjährigen Sohn Uri aufgepasst, und schon hört sie Panik und Geschrei unten auf der Straße. Ein Teenager ist von einem herabstürzenden Hammer erschlagen worden. Schnell begreift sie, dass ihr Sohn den Hammer des anwesenden arabischen Handwerkers vom Balkon gestoßen haben muss.
Sofort wird dieser verdächtigt, obwohl er in dem Moment eine Pause gemacht hat. Und als Naomi das Missverständnis nicht gleich auflöst und später, in der Hoffnung, ihre Schuldgefühle zu besänftigen, mit ihrer Familie umzieht, entspinnt sich ein dichtes Netz aus Unwahrheiten und Unausgesprochenem.
Solche kniffligen Lagen sind die Meisterstücke der israelischen Autorin Ayelet Gundar-Goshen. Sie bringt ihre Figuren in verzwickte Situationen, die harmonisch zu lösen nahezu unmöglich scheint. Wie auf dem Schachbrett gelingt es ihr, aufregende Konstellationen und überraschende Stellungswechsel zu inszenieren.
Nur das es im Spiel dieses Romans eben nicht nur zwei gegeneinander antretende Parteien gibt, schwarz und weiß, sondern immer mehr Mitspieler hinzugeraten. Und jeder neue Agent der Geschichte bringt auch wieder neues, bis dahin Ungesehenes, Ungedachtes, Verdrängtes in die Story ein.
Die im Titel angesprochenen ungebetenen Gäste sind nicht nur die Besucher, Handwerker oder Kunden, die zu empfangen man eigentlich ungewillt ist und dennoch ein freundliches Antlitz bewahrt. Die ungebetenen Gäste sind auch die ausgeblendeten Teile der Identität, die aufbrechenden Prägungen und bisher gekonnt verdrängten Schattenseiten.
Insofern ist dieser Roman ein Spannungsroman im doppelten Sinne: Einerseits, weil die Autorin es meisterhaft versteht, die Handlung so flirrend und zugespitzt zu erzählen wie in einem originären Kriminalroman. Und andererseits, weil alle beteiligten Figuren - und die Gesellschaft, in der sie leben - massiv unter einer von Ängsten und Vorurteilen geprägten Spannung stehen.
Ayelet Gundar-Goshen zeigt, wie ein Roman unserer affektiven Gegenwart etwas beisteuern kann, das ansonsten in der erhitzten Schnelligkeit verloren geht. Sie hat ein nachdenkliches, einfühlsames Buch geschrieben, dessen Verstrickungen lange nachhallen.