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Mimi Ferments Von Miso und Menschen

Dienstag, 04. Januar 2022
Advertorial
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Öffnungszeiten

Montag bis Freitag 10-18 Uhr

Adresse

Mimi Ferments
Oudenarder Straße 16 | Haus C
ehemals Osram-Höfe
13347 Berlin-Wedding
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Kontakt

...
.mimiferments.com

Ich kann gar nicht sagen, was ich erwartet habe, und doch sieht es so ganz anders aus, als das, was ich erwartet habe. Als erstes fallen einem wohl die Holzfässer in den Blick, auf Holzbalken oberhalb im Raum, auf dem Boden, in Regalen weiter hinten im Raum stehen weitere Gefäße aus Glas und Keramik. Bei Mimi Ferments sieht es weniger nach Apotheke oder Labor aus, mehr nach Winzer oder Backstube vielleicht.

Immerhin ist das Fermentieren ebenfalls ein ursprüngliches Handwerk. Die Mikroorganismen, Hefen und Bakterien, die dabei helfen, Lebensmittel oftmals nicht nur geschmacklich aufzupeppen, sondern sie auch bekömmlicher, ja gesünder, zu machen, begleiten den Menschen seitdem es ihn gibt. Sauerkraut, Joghurt, Brot und Wein, aber auch Miso und Sojasauce, das alles sind Fermente, die unsere kulinarische wie ernährerische Palette erweitern.

Die ursprüngliche Technik gibt es auf der ganzen Welt. In Berlin trägt Markus Shimizu  zu ihrer Popularität bei, wie kaum ein anderer in Deutschland. Der kreative Kopf hinter Mimi Ferments begrüßt mich zurückhaltend freundlich in seinem Ladengeschäft in Moabit. Markus hat Kunst studiert. Er sei in seinem Leben viel unterwegs gewesen und habe es immer spannend gefunden, die lokale Küche zu probieren. „Ich bin ziemlich experimentierfreudig“, sagt er über sich.

Mimi Ferments Berlin (1)
Mimi Ferments Berlin
BergamotteCha Mimi Ferments Berlin

Dank seines japanischen Vaters und da Markus bis zu seinem achten Lebensjahr in Japan lebt, ist ihm die Fermentation, die dort einen hohen Stellenwert hat, von kleinauf geläufig. Kulinarisch hat ihn die japanische Küche geprägt. Da seine Mutter Deutsche ist, kennt er auch die deutsche Küche gut. Ernährung bedeute für Markus aber nicht nur, sich den Magen vollzuhauen, sondern sei in gewisser Weise auch Medizin. Deshalb lebt er schon lange vor allem aus gesundheitlichen Gründen vegan. 

In den 90er Jahren gibt es in puncto veganer Kost allerdings noch nicht allzu viele Möglichkeiten, also beginnt er Anfang 2000 sich mit Fermentation zu beschäftigen. In Holland lernt er Tempeh kennen, ein veganes Sojaferment, das viele hochwertige Proteine enthält. Markus experimentiert damit, stellt eigenes Tempeh und Natto her.

Heute ist sein liebstes Produkt das Shiro Miso – ein junges Reismiso: „Es ist relativ mild, fruchtig, ein bisschen käsig, hat ein bisschen eine Parmesankompontente. Es ist ziemlich angenehm und man kann es beinahe sogar löffeln. Schön beispielsweise auf Pasta mit Olivenöl, vielleicht ein bisschen Knoblauch noch oder Pfeffer.“

Der Fermenteur, dem Spitzenköche vertrauen

Seit 2000 lebt Markus in Berlin. Damals habe es hier noch ziemlich viel Freiraum gegeben, vieles war möglich und viele internationale Leute seien in die Stadt gekommen. Als er 2017 gerade mit Mimi Ferments anfängt, ist die Restaurantszene in Berlin gerade im Umbruch. „Da sind gerade viele neue Restaurankonzepte entstanden, und ich konnte daran ein bisschen teilhaben. Das war schön“, rekapituliert Markus. Er macht sich einen Namen, nicht nur, aber vor allem unter Berliner Sternerestaurants.

 „Der berühmteste Kunde ist vielleicht Tim Raue“, vermutet Markus und man kann ihm den Stolz ein kleines bisschen ansehen. Dazu beliefert Mimi Ferments Kunden und Michelin-Köche in ganz Deutschland, Italien, Holland, Belgien. „Ich glaube, die schätzen einfach die Qualität. Es ist einfach ein deutlich besseres Produkt, als die man sonst erhält.“ Klar könne man mittlerweile auch über Feinkosthändler eine kleine Auswahl an Premiumprodukten aus Japan bekommen, aber bei Mimi Ferments sei eigentlich immer alles lieferbar und man habe dazu einen persönlichen Bezug, könne sich austauschen.

Ein weiterer Vorteil: Markus und seine Mitarbeiter:innen machen auch viele „Spezialsachen“ für bestimmte Gastronom:innen. „Die kommen dann auf eigene Ideen oder haben irgendetwas zu viel. Das Rutz hatte beispielsweise einmal zu viel Hühnchen, weil sie nur die Brust verwendet haben und den Rest nicht. Das konnten sie nicht alles in ihrem Personalessen aufessen. Dann haben wir halt ein Fass Hähnchengarum gemacht.“

So produziert Mimi Ferments neben handwerklichem Miso oder Sojasauce auch sehr besondere und spezielle Sachen, die nirgendwo sonst verfügbar und gänzlich einzigartig sind. Fermentation sei eigentlich sehr kreativ, zumindest die Produktentwicklung. Wenngleich man Markus den Künstler durchaus irgendwie ansieht, nimmt Kunst heute kaum noch einen Platz in seinem Leben ein, Mimi Ferments ist ein Vollzeitjob.

Rund 70 fässer Sojasauce reifen bei Mimi Ferments

Dabei fermentiere Markus eigentlich gar nicht mehr selbst. „Ich mache all das, was die anderen Leute nicht machen“, lacht er leise. Planung, Workshops und Inteviews etwa. Denn auf seinem Gebiet ist er eine wahre Koryphäe – inklusive Coverstory im Zeit Magazin. Seine Fermentationsworkshops könne man einfach online buchen, er mache aber auch welche auf Anfrage, für Küchenpersonal etwa. Die seien dann meistens auf individuelle Wünsche zugeschnitten. Gerade habe er dem Team von Standard Pizza einige Techniken beigebracht und gezeigt, was alles so möglich ist.

Seine vier Mitarbeiter:innen kümmern sich neben dem Shop um die Fermente. Sie alle sind Quereinsteiger:innen. „Es gibt halt keinen Miso-Machberuf als Ausbildung“, stellt Markus fest. „Deswegen sind das im Prinzip Leute, die sich dafür interessieren, schon ein bisschen Fermentation gemacht haben. Wir haben auch japanische Mitarbeiter, die das aus der Heimat kennen.“

Rund 70 Fässer betreuen sie. In ihnen reift etwa Sojasauce. Einige Dinge reifen ziemlich lange, das älteste Shoyu etwa bereits seit 3,5 Jahren. Es wird noch immer regelmäßig versorgt und sieht beinahe aus wie ein saftiger Schokokeks. In der Regel werden für die Fermente vorbelegte Fässer genutzt: Rotweinfässer, Whiskeyfässer, Bourbonfässer, Rumfässer. Je nach Ferment wählt Markus aus, was passt.

Der Geschmack von der Vorbelegung wird bei den ersten Nutzungen auch noch abgegeben, danach schmecke man vor allem das Holz. Die Holzfässer hätten eine gute Größe und schaffen keine Wechselwirkungen mit dem Salz oder der Säure der Fermente. 

Wenn aus Gerste Apfelsaft wird

Was aber fasziniert Markus am meisten an seiner Arbeit? Er lacht leise. „Einerseits, dass man sehr viele neue Facetten von den Rohstoffen kennenlernen kann.“ Man denke vielleicht, man kenne Weizen, Gerste oder Mais, aber durch die Fermentation lerne man noch einmal ganz neue Facetten der Waren kennen. „Zum Beispiel kann so ein Gerstenkoji nach Apfelsaft riechen oder ein Süßkartoffelmiso nach Caprisonne schmecken. Das erwartet man eben nicht von einer Süßkartoffel, dass sie nach Orange schmeckt“, erklärt Markus.

Man könne sich zudem sehr gründlich mit Fermentation beschäftigen, findet er. „Es ist wie eine Pflanze oder ein Lebewesen, zu dem man eine Beziehung aufbauen kann.“ Fermente wie Miso, Shoyu oder Natto seien dynamisch, verlangen eine gewisse Hingabe. „Es ist nichts Mechanisches, sondern etwas Lebendes, in das man sich endlos hineinfühlen kann und Feedback bekommen kann.“ Deshalb findet Markus in den Fermenten auch einige Prinzipien, die sich auf die Gesellschaft und den Umgang mit anderen Individuen übertragen lassen.

Der Zusammenhang zwischen Fermenten und Menschen

Ich werde stutzig: Zum Beispiel? „Bei Fermenten ist es so: Man muss Rahmenbedingungen stecken, damit das Ferment erfolgreich reifen kann und überhaupt zustande kommt. Wenn diese Rahmenbedingungen eben nicht gut sind, dann geht es schief, und so ist es ja auch mit Menschen.“ Leuchtet durchaus ein.

Gleichzeitig lerne man auch, dass alle Organismen irgendwo ein Optimum hätten. Bei dieser Temperatur, Feuchtigkeit, PH-Wert gedeihe ein Ferment am besten, aber es brauchen das nicht unbedingt. „Und genauso haben auch Menschen ihre Optima, aber man kann auch Hindernisse überwinden. Also gerade diese Sachen, beispielsweise Temperaturschwankungen, die vielleicht nicht immer im Idealbereich liegen. Wenn man alles im Optimum macht, gehen manche Sachen ganz schnell. Das bedeutet aber nicht, dass es auch der beste Geschmack ist. Dann fehlt beispielsweise Komplexität. Das gilt auch für den Menschen: gerade Hindernisse helfen einem zu wachsen und vielleicht auch ein besserer Mensch zu werden“, führt Markus aus. 

Fermentation stabilisiert sich selbst

Bis heute trauen sich viele Menschen nicht ans Fermentieren ran, dabei sei es gar nicht so schwer: Man müsse eigentlich nur die Rahmenbedingungen stecken, einigermaßen sauber arbeiten und dann funktionierte es. Dann gibt es manche, die müsse man noch ein bisschen pflegen. Sojasaucen müsse man rühren. Manch andere kann man wie Miso einfach ansetzen und öffnen, wenn es reif ist.

„Fermentation ist ein Prozess, der sich selbst stabilisiert“, führt Markus aus, „das heißt am Anfang sind die Produkte vielleicht anfällig oder ungeschützt, aber durch die Fermentation baut sich da eine Mikrobenflora auf, die das Ferment schützt und dadurch wird es immer stabiler und problemloser.“ Der Respekt der Menschen vorm Fermentieren komme eher daher, dass man es nicht (mehr) kenne oder wenig Erfahrung damit habe vermutet Markus.

Rückbesinnung auf die eigenen Sinne

Im Prinzip aber habe der Mensch und der Körper sehr viel Erfahrung mit Essen. Für alle Toxine, die für uns relevant sind, hat er Sensoren gebildet und könne sie schmecken. Man schmeckt beispielsweise Schimmel. Man merkt es, wenn etwas nicht mehr gut ist, wenn es komisch riecht. Unserer geschmacklichen Sensorik sollten wir einfach vertrauen, findet Markus.

Das sei auch schön beim Fermentieren, dass man dieses Vertrauen in seine eigenen Sinne wieder zurück erobert. „Ich kann sagen, ich muss das jetzt nicht vom Labor getestet haben oder es muss nicht alles verpackte Ware sein. Genauso wie man in einen Apfel beißt: Der Apfel hing da am Baum, vielleicht ein halbes Jahr, vielleicht hat da eine Amsel drauf gekackt oder so, und was weiß ich. Aber man überlebt das, wir sind dafür ausgestattet. Vielleicht muss man das wieder ein bisschen zurück gewinnen, dieses Selbstverständnis.“ Immerhin fermentiert der Mensch schon seit tausenden von Jahren – es ist eben ein uraltes Handwerk – schön, dass Mimi Ferments dazu beiträgt, es wieder populärer zu machen. 

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