Ein Koch und seine eigene Küche, eine Köchin und der eigene Herd – sie gehören zusammen wie Brot und Butter (von denen wir in den letzten Tage bilderbuchhafte Exemplar kosten durften) oder Topf und Deckel. Da muss schon einiges locken, um einen Frankfurter respektive einen Hamburger Koch in eine Hauptstadt-Küche zu locken.
Nun leben wir aber in einer Welt des Austauschs, und jener ist inzwischen auch wieder leibhaftig zu begreifen, zu spüren und – ein Glück – zu erschmecken. Erstmals folgten in diesem Jahr fünf Köche dem kulinarischen Austauschprogramm der Berlin Food Week und schufen in vier unterschiedlichen Locations in drei sehr unterschiedlichen Städten eine wundervolle Gelegenheit für gastronomischen, kulinarischen und schwelgerischen Austausch.
Und so durften wir am Montag, den 20. September im Rahmen der Berlin Food Week 2021 in Berlin einen Einblick davon erhalten, was Jochim Busch sonst in Frankfurt in seinem Restaurant Gustav beziehungsweise im Restaurant Weinsinn kredenzt, während Kollege Yannic Stockhausen im Frankfurter Weinsinn auftischte.
Jochim Buschs Gastspiel im Cordo ist dabei ohne Frage eines unserer kulinarischen Highlights des Jahres. Der hochdekorierte Frankfurter haut uns Gang für Gang mit Tellern vom Hocker, die bestimmt sind von dominanten Geschmäckern bei gleichzeitiger Balance, cleverem Texturenspiel und einer imposanten Raffinesse. Für die herausragende Weinbegleitung zeichnet sich wiederum das wunderbare Cordo-Team zuständig und holt zu diesem besonderen Anlass einige feine Flaschen aus dem Keller.
Erwähnenswert an dieser Stelle ist ohne Frage der der autochtone Juhfark aus Somló in Ungarn – der wohl spannendste Tropfen des Abends, der unsere Nasen auf Spürjagd schickt – er ergänzt die feine Süße des Spitzkohls und das kräftige Umami der Pilze fabelhaft. Fabelhaft auch die gebackene und im eigenen Saft glaierte Roten Bete mit einer beinah fleischartigen Konsistenz sowie Apfelweinbackerbsen on Top; immerhin ist Frankfurt heute das Thema.
Star des Abends allerdings, da ist man sich fast einig: Die trocken gebeizte und anschließend auf der Haut gebratene Bachforelle an Apfelessig-Gewürzsud. Andächtig still am Tisch wird es aber auch während wir das fantastische Brot mit geschlagener Butter verputzen – Gutes kann so einfach sein. Kurz: Ein durch und durch gelungener Abend. So sollte Küche sein.
Ebenfalls verblüfft und absolut angetan sind wir am folgenden Tag, am 21. September, beim Gastspiel des Hamburger Chefkochs Sebastian Junge aus dem Wolfs Junge, der diesmal im Berliner Lode & Stijn sein kulinarische Verständnis näherbringt.
Mit einem herzlichen Moin begrüßt uns Hamburgs einziger Bio-Spitzenkoch, während die Kollegen Lode van Zuylen und Stijn Remi für diesen Tag seinen Arbeitsplatz in Uhlenhorst einnehmen. Sebastian Junges Stil und Verständnis von Landwirtschaft, Regionalität und Lebensmittelhandwerk fügen sich beträchtlich ins diesjährige Motto der Berlin Food Week.
Bereits seit Jahren verwertet er Produkte aus dem eigenen Garten, grundsätzlich weidegeschossenes Fleisch oder solches aus Brudertierprojekten und setzt sich für umweltgerechte und nachhaltige Genusskultur ein. Und so genießen wir zum Auftakt einen selbstgemachten Backenspeck, von einem Schwein, das Wolfs Junge traditionell am Anfang des Jahres abnimmt und komplett verwertet.
An Tomatenraritäten vom Kleverhof wurden rund 30 verschiedene Tomatenarten zu einer Art dekonstruierter Bruschetta verarbeitet und wie staunen nicht schlecht über die sinnliche Unerschöpflichkeit dieser wundervollen Frucht. Kräftige Raucharomen ziehen sich durch das Menü wie auch die hand- und hausgemachten Erzeugnisse, die Sebastian Junge mit im Gepäck hat.
Rote Bete etwa gedeiht gut im Norden – mit BBQ-Aromen macht sie Eindruck zum weidegeschossenen und trocken gereiften Auerochsen (endlich hat man am Fleisch mal wieder was zum Kauen), als tief purpurnes Eis zu weißer Luna Schokolade der Hamburger Original Beans. Und auch Junges Kochkunst selbst macht ordentlich Eindruck.
Austausch erweitert den Horizont, er schafft Freundschaften und (hoffentlich nicht) einmalige Erfahrungen. Ein Blick über den vielbeschworenen Tellerrand bringt stets neue Eindrücke mit sich – die Züge von und nach Frankfurt und Hamburg brauchen ja nicht allzu lange – an derlei kulinarischen Austausch könnten wir uns nämlich gewöhnen!