Der Regen am Freitagmorgen hält die modebegeisterten Berliner nicht davon ab, sich ein letztes Mal im Kaufhaus Jandorf zu versammeln. Grund dafür ist die Show von Vladimir Karaleev. Es scheint, als wäre sie der absolute Highlight. Designer, Journalisten und Blogger – sie alle sitzen Schulter an Schulter, teilweise sogar mit Kindern.
Karaleev hat sein Label im Jahr 2006 gegründet und seitdem viele Fans für seine Mode angesammelt. Seine Inspiration: zeitgenössische Kunst, die in avantgardistische Designs resultiert. Diesem Stil bleibt er auch bei seiner neuen Kollektion für den Frühling / Sommer 2018 zweifelsfrei treu.
Die Leute verstummen schlagartig als das Licht erlischt und grelle Scheinwerfer auf das erste Model gerichtet sind. Zu Beginn ist die Musik noch langsam, eher melodisch bis der Rhythmus umschwenkt und virtuoser wird, passend zu verwinkelten Wegen, die die Models an den Zuschauern vorbeiführen.
Dieses Mal scheint sich Karaleev von dem zweckentfremdeten Styling von klassischen Stücken, wie Jackets oder Hemden, inspiriert haben zu lassen. Ihre Ursprungsform lässt sich erkennen, wurde jedoch mit raffinierten Details und Überlagerungen unterschiedlicher Materialien neuinterpretiert.
Asymmetrische Schnitte treffen auf Raffungen an Oberteilen und Wickelmethoden und lassen die Designs wie experimentelle Kunstwerke wirken. Es scheint fast unmöglich, jedes einzelne Detail der Kleidungsstücke zu bemerken. Dafür müssten die Models mehr als eine Runde über den Laufsteg gehen.
Bei genauerem Hingucken fällt auf, dass Fäden an den Säumen herausgucken. Was unfertig wirken mag, ist pure Absicht, denn der Designer spielt mit dieser Wirkung sorgt bei dem Publikum für "Aha"- und "Oh"- Effekte.
Je unruhiger die Schnitte, desto dezenter die Farbwelt – nach diesem Prinzip scheint der Designer die Farben ausgewählt zu haben. Gelb und Creme sind die Farben, die die Kollektion dominieren.
Vladimir Karaleev stellt erneut eindrucksvoll unter Beweis, dass Dekonstruktivismus schon längst nicht mehr nur dem Bereich der Architektur zugeordnet werden kann. Er kreiert aus alten Formen etwas Neues und liefert erneut innovative Designs, die wie für den Alltag gemacht scheinen.
Das zweite Highlight des letzten Tages ist ohne Zweifel die Show von Prabal Gurung. Der Nepalese ist ein Liebling der Fashion-Szene und zeigt seine Kollektionen normalerweise auf der New York Fashion Week. Doch dieses Jahr kam er extra nach Berlin, um seine Resort-Kollektion für 2018 zu präsentieren und um wichtige Botschaften auszusenden.
Es war eine Liebeserklärung an die Frau – an ihre Schönheit, ihre Stärke und ihre Individualität. Es gibt schulterfreie Blusen, schmale Kleider und lange Röcke mit mehrstufigen Volants oder asymmetrisch-gerüschten Säumen, die bei jedem Schritt sanft flattern. Zierliche Blumenprints, Polka-Dot-Muster, Spitze und Seide, dazu verführerische Cut-Outs an Schultern und Taille – sie alle sind gemacht, um der Frau zu schmeicheln.
Doch nicht nur zarte, sondern auch Power-Looks fanden ihren Weg auf den Laufsteg: Ein knallroter Anzug aus einem Cape-Blazer und einer passenden Schlaghose mit goldenen Perlen an den Seiten war ein echter Hingucker. Mit der breiten Auswahl an Kleidungsstücken möchte der Designer der modernen Feministin eine große Wahlmöglichkeit bieten, sich zu kleiden und sich dabei selbst treu zu bleiben.
Prabal Gurung zelebriert mit seiner Kollektion nicht nur die Frau allein, sondern auch den Multikulturalismus. Eine große Inspiration waren Marokko und seine Traditionen, vor allem die Fotografien des marokkanischen Künstlers Hassan Hajjaj, die zu Diskussionen über die kulturellen Annährungen und den Besitz in einer globalisierten Welt anregen.
So waren Statement-T-Shirts mit Sprüchen wie "Revolution Has No Boarders" oder auch "I Am An Immigrant" ein wichtiger Bestandteil seiner Kollektion. Damit schlug Prabal Gurung eine Brücke von reiner Mode zu politischen Botschaften. Gemeinsam können wir die klassischen Grenzen überwinden – das ist sein Aufruf heute. Und so rennt der Designer am Ende seiner politischen Show über den Laufsteg in einem T-Shirt mit der Aufschrift: „This is what a feminist looks like.“