Lachen kann, wer Zähne hat. Nicht nur schmunzeln, nicht nur freundlich weltbegegnend lächeln oder schnell grinsen, sondern lachen, richtig derb und laut und aus vollem Hals lachen! Sich krumm und schief lachen, die anderen kaputt- und schlapplachen, das kann Wera. Das ist ihr Talent, ihr Sein, das einzige, was ihr gerade geblieben ist, denn eigentlich hätte sie allen Grund zu heulen.
Gerade ist ihr Mann gestorben, der Jockey in James Dean-Manier, der eines Tages in Weras Herrenfriseur auftrat um sich die Haare kurzschneiden zu lassen – eine unvergessliche Szene, wie ein Western, wie ein Duell um Macht und Begierde – und doch unter kleinen Leuten mit großen Problemen. Und nun kümmert sich Wera um die Beerdigung ihres Jockeys und muss irgendwo Schuhe für den Sarg auftreiben, von Geld das sie nicht hat.
"Totenschuhe und Schuhe fürs Leben, das sind zwei Paar Schuhe. (...) Einen normalen Schuh kannste immer zum Totenschuh machen. Andersrum wirds schwer. Ziehste einen Totenschuh an und springst plötzlich quicklebendig auf, ist nach zwei Schritten die Sohle durch."
In diesem schnoddrigen und einfallsreichen Ton (von Lisa Palmes wundervoll spielerisch ins Deutsche gebracht) erzählt uns Wera von ihrem Weg zu Kunden und Bekannten, zu Weggefährten und verflossenen Liebschaften. Sie durchstreift ihre Stadt, ihre Halbwelt und damit irgendwie auch ihr vergangenes Leben. So wie sie sich all die Jahre durchgeschlagen hat, kommt sie auch jetzt an ihr Ziel: mit Friseurinnenschläue und einem losen Mundwerk.
Wir begegnen einer Frau, die alles gesehen hat, einer Frau ohne Hemmungen, die es versteht zielstrebig und pragmatisch zu handeln, und die bekommt, was sie sich vornimmt: "Ich konnte jeden haben. Die Schönheit liegt tief in meiner Natur. Hab sie alle zusammengeharkt. Jetzt herrscht Dürre. Ich weiß nicht mal mehr, wann ich zuletzt einen so richtig geküsst hab. Aber üppige Zeiten hats auch gegeben."
Von unbedingt anzustreichenden Sätzen wimmelt dieser Roman. Weras pragmatischer Zynismus ist so herrlich am Witz orientiert, ihre Gesprächsführung so staunenswert grotesk, frech und einfallsreich und auch in Liebesdingen ist sie um kein Wort verlegen: "Liebe ist reine Säure, die kannste nicht verdünnen."
Einmal sagt sie, dass Armut einem die Zunge rausreißt, aber das gilt nicht für diese sensationell widerspenstige Frau, die sich in ihrer ganzen Verlorenheit an die Sprache klammert und aus dieser Position auf alles feuert, was sich ihrer Welt bemächtigt. Denn das ist die bittere Wendung dieses trotzigen und kraftvollen Lachens: Aufzuhalten ist der Verfall ihrer Welt damit nicht.