Zoë Schlär ist seit fast 20 Jahren Mediatorin und versteht sich als Übersetzerin in Konfliktsituationen – sowohl im Beruflichen als auch im Privaten. Zudem ist sie Ausbilderin für Mediation, Trainerin und Systemischer Businesscoach. Für Creme Guides schreibt sie über festgefahrene Situationen, neue Begegnungsräume und das gegenseitige Verstehen, um nachhaltige Veränderung zu erreichen.
Es beginnt oft mit einem leisen Zweifel. Oder mit einem lauten Knall. Beziehungen knirschen, Teams geraten aus dem Takt, das eigene Leben fühlt sich plötzlich an wie ein Kleid, das nicht mehr passt. Wer in solchen Momenten einen Coach oder eine Mediatorin aufsucht, kommt nicht, weil alles klar ist, sondern weil etwas ins Wanken geraten ist.
Umso entscheidender ist, wie wir empfangen werden. Noch bevor ein einziges Wort gewechselt wird, geschieht etwas: Wir nehmen wahr, ob der Raum uns meint. Ob wir willkommen sind. Ob wir als Mensch gesehen werden – nicht nur als „jemand mit einem Problem“. Ein warmer Raum, ein freundlicher Blick. Und dann diese einfache Frage: „Möchten Sie lieber Kaffee oder Tee?“
Es ist ein kleines Detail – und zugleich ein bedeutendes Signal.
In der Psychologie nennt man es den Priming-Effekt – die subtile Macht des ersten Eindrucks. Unsere Entscheidungen, unser Verhalten, ja sogar unsere emotionale Offenheit werden davon beeinflusst, was wir zuvor erlebt oder gespürt haben. In der Mediation oder im Coaching ist das mehr als eine Spielerei. Es ist ein erster Schritt in Richtung Selbstverantwortung.
Denn in der Wahl zwischen Kaffee oder Tee steckt mehr, als es scheint. Es ist eine Einladung: Du darfst hier entscheiden. Es geht um dich. Und es geht darum, was du brauchst. Diese erste kleine Entscheidung kann – unbewusst – die Tür öffnen zu viel Größerem: Wie will ich künftig mit meinem Kollegen sprechen? Wofür will ich einstehen? Womit will ich aufhören?
Auch das warme Getränk selbst ist kein Zufall. Aus Erfahrung kann ich sagen: Wer physisch Wärme erlebt – etwa durch eine Tasse Tee –, erlebt auch sein Gegenüber als wärmer, empathischer, zugänglicher. Emotionale Kälte hat in solch einem Setting kaum eine Chance. Die Haltung, die darin mitschwingt: Ich halte dich aus. Ich höre dir zu. Und wir schauen gemeinsam, was möglich ist.
Vielleicht kennt man das auch aus dem Privaten: wenn zwei Freundinnen an einem Samstagmorgen in der Küche sitzen. Die eine trägt Liebeskummer auf dem Herzen, die andere ihre Sorgen mit dem Job. Und während der Tee zieht, entsteht Raum. Nicht für schnelle Ratschläge, sondern für echtes Dasein. Für ein offenes Ohr. Für dieses leise, aber kraftvolle Gefühl: Ich bin nicht allein damit.
So beginnt Veränderung. Nicht laut, nicht dramatisch. Sondern in einem Raum, der hält – und ermutigt. In dem Verantwortung nicht abverlangt, sondern angeboten wird. Coaching und Mediation sind keine Zaubertricks. Aber sie können Inseln sein. Orte, an denen Menschen sich erinnern: Ich habe eine Wahl. Ich darf gestalten. Ich bin mehr als mein Konflikt.
Vielleicht beginnt genau dort der Weg zurück zu sich selbst – mit einer Tasse Tee in der Hand und der Einladung, wieder handlungsfähig zu sein.