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Granatapfelwein. Das Erste, was mir bei armenischer Küche in den Sinn kam. Ansonsten: Kulinarisches Unwissen. Um dagegen anzugehen (denn wie mir geht es hierzulande vielen Menschen) haben Harutyun Hakobyan und seine Mutter Narine das Lavash eröffnet. Ihre Mission: Den „Geschmack von Armenien“ auf den Teller bringen und Wienerinnen und Wiener mit der Küche des kleinen Kaukasuslandes vertraut machen.
Lavash – hier kommt gleich die erste Lektion des Abends – ist der Name des dünnen Brotes, das in Armenien allgegenwärtig ist und seit 2014 zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt. Außerdem unverzichtbar: Nüsse, Getreide, Hülsenfrüchte, viele Kräuter und, ja, auch der Granatapfel taucht in vielen Gerichten auf – als rohe Frucht oder als Sirup, dem „Balsamico von Armenien“, wie Harutyun sagt.
So auch in dem Rote-Rüben-Tatar, das wir zur Vorspeise bekommen. Frisch und cremig dank Sauerrahm (Lektion zwei: In der armenischen Küche spielt säuerliches wie Joghurt und Co. eine große Rolle), getoppt mit Crunchy Beten und begleitet von knusprig gebackenen Lavash-Ecken.
„Wer armenisch isst, reist 2500 Jahre zurück in die Vergangenheit,“ sagt Harutyun. Es sei eine der ältesten Küchen der Welt. Mama Narine verpasst diesen traditionellen Speisen ein modernes Gewand, serviert den armenischen Klassiker Tolma (mit Rindfleisch und Gemüse gefüllte Weinblätter) mit Joghurt-Knoblauch-Schaum statt simpler Soße.
Mehr als 20 Jahre hat Narine Manukyan als Köchin in Tirol gearbeitet, zuletzt als Küchenchefin in einem österreichischen Lokal. Doch schon lange träumten sie und ihr Sohn vom eigenen Lokal. Sie ist stolz auf die traditionsreiche Küche ihres Heimatlandes und besonders stolz, dass sie mit ihrem Lavash das landesweit erste armenische Restaurant eröffnet haben.
Ihre Augen leuchten, wenn sie vom Essen redet. Von ihren Rezepten, die „alle aus der Familie stammen, von Omas und Uromas“. Von persönlichen Küchengeheimnissen und kreativen Ideen, die ihre Speisen auszeichnen und besonders machen. Wer mag, kann ihr in der kleinen offenen Küche beim Kochen zusehen, in der sie (ganz alleine!) zu Gange ist. „Ich vertraue niemandem,“ sagt sie lachend. „Deswegen muss ich alles selber kochen.“
Gut so, denke ich mir, als ich den ersten Löffel ihrer Spas nehme. Spas ist eine Suppe auf Joghurtbasis mit geschältem Weizen, frischen Kräutern, Granatapfelkernen und Lavash-Chips – eines der traditionellsten armenischen Gerichte. Sie ist lauwarm, was wunderbar zu diesem Sommerabend passt. Die Kombination aus Joghurt und Weizen mag (für unsere Gaumen) ungewöhnlich klingen, ergibt geschmacklich aber absolut Sinn. Mit dem weichen Fladenbrot kratzen wir noch die letzten Reste aus der Schale.
Zur Suppe trinken wir Weißwein vom Weingut Karas: Dahinter steht eine Familie, die nach vielen Jahren in Argentinien in die armenische Heimat zurückkehrte, um innovative Weine zu machen. Die Weinkultur in Armenien reicht viele tausend Jahre zurück. „Viele Leute denken zuerst an süße Weine,“ sagt Harutyun. Mir ging es da nicht anders. Aber, und hier kommt das nächste Learning: „In den letzten zehn Jahren hat sich die Weinlandschaft ganz neu erfunden.“
Das Ergebnis sind Weine wie der Kraki Ktor aus der lokalen Rebsorte Kangun, der nach Bitterorange schmeckt, der fruchtig ist, aber kein bisschen süß, vielmehr mineralisch, da die Reben in der Vulkanerde rund um den heiligen Berg Ararat wachsen.
Der Ararat ist das Nationalsymbol der Armenier*innen – er findet sich im Pass, auf den Münzen, auf Fußball-Trikots – auch wenn er heute nicht mehr auf armenischem, sondern auf türkischem Boden liegt. Armenien, eingezwängt zwischen Georgien, Aserbaidschan, dem Iran und der Türkei, stand lange Zeit unter fremder Herrschaft. Immer wieder mussten sie Gebiete an Nachbarländer abtreten, bis heute gibt es Grenzstreitigkeiten. Viele Menschen haben das Land verlassen.
Deswegen sei die Küche als identitätsstiftendes Symbol so wichtig, sagt Harutyun. Mutter und Sohn wollen nicht nur das kulinarische Erbe ihres Landes weitergeben, sondern auch ein wenig kulturelle Vermittlungsarbeit leisten. Ob ich berühmte Menschen aus Armenien kenne, fragt er mich vor dem Hauptgang? Ich muss passen. Und lerne, dass sowohl die Sängerin Cher, als auch der französische Chansonnier Charles Aznavour und die Kardashians armenische Wurzeln haben. Auch das erste Wiener Kaffeehaus wurde 1685 von einem Armenier eröffnet.
Nach dieser kleinen Geschichtsstunde bringt Harutyun unsere Hauptspeisen: Butterweich geschmorte, saftige Auberginen, gefüllt mit Hackfleisch und Tomatensoße. Als vegane Variante gibt es die Garni Yarakh auch mit Bulgur. Nur eine von vielen pflanzlichen Gerichten, die hier auf der Karte stehen.
Vegan ist auch unsere zweite Hauptspeise, Tsaghkazart: Gebackener Blumenhohl mit gerösteten Nüssen, Granatapfelkernen, frischen Kräutern und sämiger Cashewsoße. Auch dies eine moderne Kreation von Küchenchefin Narine, die – wie alles aus ihrer Küche – wunderschön angerichtet an unseren Tisch kommt.
Unser Abend endet mit süßem Blätterteig („Natürlich handgemacht“) und dickem Joghurt, der ähnlich wie Labneh über Nacht abgehangen wird. Dazu gibt es armenischen Brandy (Kannte ich bisher auch nicht!) und ganz zum Abschluss dann doch noch ein Gläschen vom Granatapfelwein.