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Geschwister sein Wenn Pflege Verantwortung neu verteilt

Dienstag, 02. September 2025

Über die Autorin

Zoë Schlär ist seit fast 20 Jahren Mediatorin und versteht sich als Übersetzerin in Konfliktsituationen – sowohl im Beruflichen als auch im Privaten. Zudem ist sie Ausbilderin für Mediation, Trainerin und Systemischer Businesscoach. Für Creme Guides schreibt sie über festgefahrene Situationen, neue Begegnungsräume und das gegenseitige Verstehen, um nachhaltige Veränderung zu erreichen.

Wenn Eltern älter werden, verändert sich auch das Verhältnis der Kinder zueinander. Fragen nach Nähe und Verantwortung, nach Zeit, Geld und Fürsorge tauchen auf. Oft entsteht dabei ein Ungleichgewicht: Die einen wohnen in der Nähe und übernehmen den Alltag. Die anderen sind räumlich weiter entfernt, übernehmen Telefonate, machen sich Sorgen und fühlen sich doch manchmal ausgeschlossen.

So auch bei Elisa und Markus. Sie sind Anfang, Mitte fünfzig, die Mutter lebt seit einiger Zeit in einer Pflegeeinrichtung. Markus wohnt in Berlin und trägt die Hauptlast: Besuche, Gespräche mit Ärzten und Ärztinnen sowie Pflegenden, die Organisation von Rechnungen und Formularen, kleine Besorgungen, die niemand sonst erledigt. Elisa lebt in Süddeutschland, kommt nur alle paar Wochen nach Berlin, telefoniert dafür regelmäßig mit der Mutter. Sie sorgt sich, fragt nach, ist beruflich jedoch stark eingebunden und viel unterwegs.

Aus dieser Konstellation entstand zunehmender Frust: Markus fühlte sich allein gelassen, Elisa nicht ernstgenommen. Dazu kamen die eigenen Lebenslagen – seine laufende Scheidung, ihr hoher beruflicher Druck. Vorwürfe standen im Raum, Verletzungen sammelten sich an.

In der Mediation nahmen sie sich einen halben Tag Zeit. Ohne den Anspruch, alles sofort regeln zu müssen, aber mit dem Ziel, sich zuzuhören. Der entscheidende Moment war die Verschiebung des Blickwinkels: weg vom Du machst nicht genug hin zu Ich wünsche mir, dass…. Aus Anklagen wurden Bedürfnisse, aus alten Mustern neue Einsichten.

Im Verlauf des Gesprächs wurde beiden deutlich, wie sehr sie selbst zur Schieflage beigetragen hatten. Markus, indem er seinen Frust oft nur zwischen den Zeilen platzierte, ohne klar zu benennen, was er brauchte. Elisa, indem sie aus der Ferne Erwartungen formulierte, die Markus als Kritik empfand. Dieses gegenseitige Erkennen veränderte die Atmosphäre.

Zum ersten Mal seit Langem konnten sie einander direkt in die Augen sehen, ohne Abwehr, ohne Schuldzuweisungen. Daraus entstand eine spürbare Erleichterung und am Ende sogar so etwas wie Freude darüber, dass sie als Geschwister trotz allem wieder zueinander gefunden hatten.

Am Ende ging es weniger um eine perfekte Aufgabenteilung, sondern um das, was oft im Hintergrund verschwindet: die Beziehung der Geschwister. Sie konnte wieder spürbar werden, als Ressource, nicht als Belastung.

Und auch die Mutter profitiert. Denn Eltern nehmen die Spannungen zwischen ihren Kindern wahr, selbst wenn sie nicht ausgesprochen werden und sie leiden darunter. Wenn dagegen Verständigung gelingt und wieder Nähe entsteht, dann wirkt sich das auch auf Eltern aus, entlastend, beruhigend und stärkend.

Solche Gespräche verändern die äußeren Umstände nicht, sie machen Pflege nicht leichter und Alltagsstress nicht kleiner. Aber sie schaffen Klarheit und Verbindung. Und genau das ist es, was vielen Familien in solchen Situationen am meisten fehlt.

Denn wo Geschwister wieder miteinander ins Gespräch kommen, entsteht nicht nur Entlastung für sie selbst – auch die Eltern erfahren Ruhe und Zuwendung, die ohne diese Verständigung kaum möglich wäre.

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