An Erzählungen von Ralf Rothmann kann man sich einen tüchtigen Rausch anlesen. Seit Jahren veröffentlicht dieser Autor zuverlässig Bände mit Erzählungen, die gleichermaßen realistisch und klar daherkommen wie kunstfertig und unwirklich. Seine Bücher sind in einem positiven Sinne verschattet.
Zu lesen bekommen wir lediglich ein paar kleine Sonnenflecken, das sind die Andeutungen und offensichtlichen Vorkommnisse der Handlung. Das Eigentliche jedoch steht zwischen den Zeilen und in den Schattenbereichen rings um die lichten Ereignisse. Die Kunst des Ralf Rothmann besteht im Auslassen, sein Schreiben ist ein Weglassen.
Auch der neue Band „Museum der Einsamkeit“ versammelt Geschichten von sogenannten „normalen“ Menschen an alltäglichen Orten.
Da ist dieser alte Wohlstandsrentner, der mit dem Anderssein seiner neuen Nachbarn nicht umzugehen weiß und sich nun auf Sticheleien und Unfreundlichkeit eingestellt hat, dessen Unglück Ralf Rothmann in einem zärtlichen Bild heimlicher Verlorenheit darstellt.
Da ist ein rabiater, seelenkalter Maurerlehrling, der den gesamten Ausbildungshof terrorisiert und dessen zarten Griff nach einer Schreibtischfolie Rothmann als Variation auf Anmut und Gewalt erzählt.
Da sind allesamt Figuren, die sich um Aufrichtigkeit und Würde mühen. Manche sind bereits versehrt vom Leben, manche haben die Abgründe noch vor sich. Rothmann begleitet das Ringen und alltägliche Mühen behutsam, ihm liegt nicht an der schnellen Bewertung mancher Lebensentscheidung, er stellt dar und überlässt uns diese Erzählungen.
Und es empfiehlt sich wirklich, nach jeder Geschichte eine Pause einzulegen, erst dann entfaltet dieses schattige Erzählen seine ganze Pracht.