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„Use the F-word. Be a feminist.“ Weibliche Kunst in Berlin

Mittwoch, 14. Dezember 2022
Advertorial

Aus Gründen beenden wir das Jahr mit einer Ladung weiblichen Mutes und weiblicher Wut (in der Kunst). Die 1815 geborene Suffragette Elizabeth Cady Stanton hat mal gesagt: „Der beste Schutz, den eine Frau haben kann, ist Mut.“

Diesen hat die „Unruhestifterin“ auf jeden Fall schon früh bewiesen, indem sie sich die Gesetzesbücher ihres richterlichen Vaters griff und versuchte, mit einem Rasiermesser alle Stellen mit unfairen Behandlungen von Frauen durch das Gesetz herauszuschneiden. Ich lehne mich mal aus dem Fenster und behaupte, dass sie ziemlich frustriert und wütend war als sie das tat… Und damit: Vorhang auf für das feministische Dezember-Kunst-Special!  

Nähere Details zu den einzelnen Orten finden Sie über das Anklicken der orange markierten Namen!

Monica Bonvicini, from the series Doors, 2022, Ausstellungsansicht Neue Nationalgalerie

I do You

In der umfassenden Einzelausstellung I do You hat die Künstlerin Monica Bonvicini architektonische Installationen entwickelt, die sich als feministische Aneignung des von Mies van der Rohe konzipierten Raumes verstehen und den Besucher*innen ungewohnte Perspektiven eröffnen. Daneben gibt es auch ausgewählte skulpturale Arbeiten aus Bonvicinis Oeuvre zu sehen, mit denen die Besucher*innen auch interagieren können; etwa die für zwei Personen konzipierten „Chain Swings“ (2022).

Dass Monica Bonvicinis gerade eröffnete Soloshow in der Neuen Nationalgalerie, die sicherlich als Höhepunkt ihrer Laufbahn gesehen werden kann, vor allem als feministische Künstlerin an diesem besonderen Kunstort ausgerechnet von den #metoo-Vorwürfen gegen ihren (mittlerweile ehemaligen) Galeristen Johann König bestimmt wird, kann man entweder als extremen Zufall sehen, oder einfach nur als ein hochkarätiges Beispiel ob der #metoo-Realität auch in der Kunstwelt.

Bonvicini hatte die Zusammenarbeit mit König zuerst nur pausiert, bis das anonyme feministische Kollektiv „Soup du Jour“ in einem offenen Brief eine noch klarere Position von ihr forderte.

Um diesem sexistischen Mief etwas konkretes entgegenzusetzen, ist diese letzte Kolumne des Jahres 2022 Frauen in der Kunst und konkret einigen der Künstlerinnen, deren Werk derzeit in Berlin zu sehen ist, gewidmet. Und wie Sie sehen, sprechen die Ausstellungstitel für sich!  

Neue Nationalgalerie | 
Potsdamer Str. 50 | 19785 Berlin.Ausstellung
25.11.2022 bis 30.04.2023
Di, Mi-So 10-18 Uhr
Donnerstag 10-20 Uhr

01.Bachemeier-1982-scaled

Guilty, guilty, guilty!

Den Anfang macht Guilty, guilty guilty! im Kunstraum Kreuzberg. Es geht um feministische Kriminologie und wie bei Strafverfolgung und Prozessen das Geschlecht ins Gewicht fällt. Insgesamt 16 Künstler*innen untersuchen zum Beispiel historische Fälle wie jene Raubzüge, die die Millionärsenkelin Patricia Hearst mit ihren Entführern unternommen haben soll – what a badass! İpek Dubens spielbares Roulette zu häuslicher Gewalt und Dominique Hurths Installation zu Prozessen gegen Aufseherinnen in Konzentrationslagern hingegen sind harte und wichtige Arbeiten.

Kunstraum Kreuzberg | 
Mariannenpl. 2 | 10997 Berlin.12.11.2022-19.02.2023
So-Mi 10-20 Uhr
Do-Sa 10-22 Uhr

Zangewa-Billie_Rebirth-of-the-Black-Venus_2010-460x591-2

Manifestiert Euch!

„Use the F word. Be a feminist.“ konstatieren die Guerrilla Girls, eine anonyme, aus feministischen Aktivistinnen bestehende Künstlergruppe, die seit 1985 Straßenplakate, die sexuelle und rassistische Diskriminierung in der New Yorker Kunstwelt aufdecken, produzieren und verbreiten. Dieses Zitat und damit auch die Guerrilla Girls finden sich aktuell auch in der Ausstellung Manifestiert Euch! , die es im Künstlerhaus Bethanien zu sehen gibt. Queer-feministische Manifeste seit den Suffragetten, also über einen Zeitraum von 100 Jahren, wurden dafür zusammengetragen.

Es geht um Ermächtigung und damit auch um weibliche Sichtbarkeit in allen Bereichen der Gesellschaft. Wie wichtig diese Sichtbarkeit im Kampf um die Gleichberechtigung ist, zeigt sich aktuell in den Protesten im Iran, angeführt von mutigen und vor allem wütenden Frauen. Die Wut fällt gerne mal weg, wenn über Narrative wie diese berichtet wird. Mutige Frauen sind gut. Wütende Frauen dahingegen? Eher unangenehm.

Vor nicht allzu langer Zeit hätte ich an dieser Stelle von der begründeten Hoffnung auf Veränderungen gesprochen, wenn es um die Gleichstellung von Frauen, zum Beispiel auch in der Kunst geht. Machen wir uns nichts vor, Hoffnung ist hier nicht mehr wirklich das Mittel zur Wahl…

Künstlerhaus Bethanien | 
Kottbusser Str. 10/d | 10999 Berlin.AUSSTELLUNG
18.11.2022 – 22.01.2023
Di - So: 14 - 19 Uhr
Eintritt frei

8706 anatomisches weibliches Modell

Der zweite Blick

In der andauernden Reihe Der zweite Blick im Bode Museum geht es um das aufbrechen der Kunstgeschichte, die bis heute – wenig überraschend – von einem männlichen Blick geprägt und definiert wird. „Das Wirken und die Geschichten von Frauen wurden in den westlichen Museen lange Zeit ignoriert. Die Unsichtbarkeit dieser Aspekte ist bis heute ein verbindendes Merkmal nahezu all jener Museen mit Sammlungen der sogenannten Alten Meister“.

Der aktuelle, zweite Teil der Reihe ist in Kooperation mit dem Frauentreff Olga entstanden, einer Anlauf- und Beratungsstelle für drogenkonsumierende Frauen, Trans*frauen und Sexarbeiterinnen an der Kurfürstenstraße. „Im Mittelpunkt stehen Darstellungen der Geschlechter- und Gesellschaftsrollen von Frauen – etwa als Göttinnen, Heldinnen, Prostituierte, Heilige, Königinnen, Akademikerinnen etc. In sechs thematischen Rundgängen mit 62 Objekten aus dem 4. bis zum 18. Jahrhundert werden die Figuren und ihre Taten in den jeweiligen zeitgenössischen Kontext gestellt und im Rahmen einer gesellschaftskritischen Perspektive des 21. Jahrhunderts diskutiert.” – Mehr davon bitte!

Bode Museum | 
Am Kupfergraben | 10117 Berlin.Dauerausstellung, 3 bis auf Weiteres

Susanne Piotter, bitch, 2022, 100 x 33 cm (ohne Kette), Beton und Ankerkette, verzinkt

It’s a »She Thing«

Um Sichtbarkeit geht es nicht nur im Frauenmuseum generell sondern auch konkret mit der Gruppenausstellung It's a "She Thing". Mit besonderem Nachdruck wird hier die Absurdität des sogenannten Bundesgremienbesetzungsgesetzes hervorgehoben, welches Transparenz und Fortschritte des Bundes über die Besetzung seiner Gremien mit Frauen und Männern abbilden soll… Das muss man erst mal sacken lassen.

„In der Kunst gibt es solche gesetzlichen Festlegungen zur Höhe des Frauenanteils für eine gleichberechtigte Teilhabe bekanntlich nicht, weshalb die Sichtbarkeit von Künstlerinnen in öffentlichen Museen und Sammlungen noch immer desolat- und die Gender-Pay-Gap in der Kunst, wie vielerorts, evident ist…“

Kommunale Galerie Berlin | 
Hohenzollerndamm 176 | 10713 Berlin.17.11.2022 bis 12.02.2023
Di-So 10-17 Uhr
Mi 10-19 Uhr

Tina Modotti_Gitarre, Patronengürtel und Sichel_1927

Revolution und Leidenschaft

Der völlig überholten und ungerechtfertigten Gender-Pay-Gap werfen wir mit Gusto die Ausstellung Revolution und Leidenschaft vor die Füße, die es im Freiraum für Fotografie zu sehen gibt. Modetti, die als eine der schillerndsten Figuren der Fotografie-Geschichte überhaupt gilt, würde man heute als Trailblazer bezeichnen. 1896 in Udine in ärmlichsten Verhältnissen geboren, schiffte sich die spätere Schauspielerin, Fotografin und Revolutionärin mit gerade mal 17 Jahren auf der Suche nach einem besseren Leben in Richtung USA ein. Der Rest ist Geschichte und ein absolutes Mustsee. Nicht nur für Frauen, by the way...

F³ – Freiraum für Fotografie | 
Waldemarstraße 17 | 10179 Berlin.19.11.22 - 05.02.23
Mi-So 13-19 Uhr

lh22-female-remedy-installation-view-c-frank-sperling-5-768x1151

Female Remedy

Wir beenden diesen bescheidenen, feministischen Kunstexkurs mit bitter nötiger Female Remedy. In diesem Fall handelt es sich nicht nur um die erste institutionelle Ausstellung der in Berlin lebenden Amerikanerin Leila Hekmat. Die Ausstellung bildet auch den Auftakt für das neue Programm im Haus am Waldsee unter der neuen künstlerischen Leitung von Anna Gritz.

„Dabei verwandelt Hekmat das komplette Haus in ein religiöses Sanatorium für Frauen. Ihr Hospital Hekmat fungiert als Einrichtung für eine Krankheit, die nicht geheilt werden muss wobei die Mission allein darin besteht, durch Komödie und absurde Possen bereits existierende Insolenzen zu stärken und das vernunftwidrige Innenleben der Patientinnen zu fördern. Es ist ein Heilungsort für die reuelose Frau…“ Hell yeah!

P.S.: We will never stop fighting.

Haus am Waldsee | 
Argentinische Allee 30 | 14163 Berlin.15.09. 2022 – 8.01.2023
Di-So 11-18 Uhr

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