Als Pauline Curnier Jardin 2019 den Preis der Nationalgalerie, der damals zum bereits 10. Mal verliehen wurde, erhielt, konnte noch niemand ahnen, dass die große institutionelle Einzelausstellung in einem der Häuser der Nationalgalerie die Teil der Auszeichnung ist, nicht wie geplant im darauffolgenden Jahr stattfinden würde. Der Grund ist uns natürlich allen bekannt.
Deswegen lohnt es sich noch einmal, sich die Begründung der damaligen Jury Entscheidung für Jardin in Erinnerung zu rufen. Denn diese beinhaltet tatsächlich alle Elemente ihrer Videoinstallation “Fat to Ashes“ die nun in der historischen Halle des Hamburger Bahnhofs zu erleben ist.
So war die Jury damals vor allem von Pauline Curnier Jardins “herausfordernder und vereinnahmenden filmischen und installativen Sprache” beeindruckt, “gleich einem sich im Delirium befindenden Zirkus eröffnet ihr Werk Räume für verunsichernde Erfahrungen, die in den Irrungen und Wirrungen unserer Zeit gründen.“
Und tatsächlich finden sich die Besucher in einem Zirkuszelt wieder, das um ein Amphitheater herum aufgebaut wurde. Das Licht im Raum schimmert rosa und auf dem Boden vor der Leinwand liegt Konfetti. Jardin, die dafür bekannt ist, in ihrer Arbeit gerne altertümliche Bräuche oder Mythen aufzugreifen, tut dies auch in “Fat to Ashes“, indem sie in drei filmischen Momentaufnahmen ein sizilianisches religiöses Fest zu Ehren der heiligen Agatha, die traditionelle Schlachtung eines Schweins und den Kölner Karneval miteinander verschmelzen, aber auch aufeinanderprallen lässt.
Diese drei Szenarien sind alle im Ausstellungstitel enthalten und drehen sich um dieselbe Woche: eine Woche der Ausschweifung vom sogenannten „Fat Thursday“ oder „giovedì grasso“ beziehungsweise Weiberfastnacht oder Fettdonnerstag im Deutschen, bis zum Aschermittwoch als Tag der Ernüchterung und Beginn der Fastenzeit nach christlichem Kalenderjahr.
Jardin kombiniert dabei derbe Materialien mit sanften, die aneinandergereiht genau den ritualisierten Exzess beinhalten, der in diesen über den Zeitraum von sieben Tagen traditionell gefeierten Bräuchen enthalten ist: Fleisch, Haut, Wachs, Konfetti, Blut, Gedärme, Düfte, Sinne, Rauch, Ritus, Alkohol, Exzess, Berührung, Gesang, Fett und Asche.
It’s a lot and yet it’s deeply human.